Als ich jüngst im nahegelegenen Hallenbad ein paar Bahnen ziehen wollte, fand ich dieses an einem Samstag geschlossen vor. Wechselbetrieb mit dem Freibad wegen Personalmangels, wie ich erfuhr. Aha. Ich meine, ich lebe immerhin in der zweitgrößten bayerischen Stadt, da finde ich das schon ungewöhnlich. Dass manche Freibäder aus demselben Grund bereits im Vorjahr später öffneten, kannte ich schon. Gleiches gilt für Cafés und Restaurants, die zwar ihren Umsatz nach den schweren Zeiten gerne wieder steigern würden, aber nicht wissen, mit welchem Personal.
Meine Friseurin berichtete, sie könne ihre Altersteilzeit nicht antreten, weil der Salon weder ausgebildete Kolleg*innen, noch Auszubildende fände. Am Flughafen bleiben die Koffer am Boden, weil das Personal fehlt, auf den Ämtern bekommt man keine Termine und dass das Pflegepersonal, aber auch Lehrkräfte fehlen, um neue Strategien für die nächste Coronawelle vorzubereiten, ist ja sowieso schon lange bekannt. Wo man auch hinschaut, regiert der Mangel. Das gibt mir wirklich zu denken. Wo sind all die Menschen?
Es ist zu vermuten, dass ein gar nicht so kleiner Anteil der Arbeitswelt durch die Pandemie abhandengekommen ist. Psychische Probleme, der Verlust geregelter Strukturen und Aufgaben, Kurzarbeit oder sogar Arbeitslosigkeit haben bei manchen Menschen dazu geführt, dass ihnen die Rückkehr zu einem normalen Arbeitsalltag bis heute nicht möglich ist.
Aber auch die Erzählung von der Work-Life-Balance fordert ihren Tribut. Junge Leute stellen immer mehr Ansprüche an die Arbeitswelt. Anstrengende Arbeit bei schlechter Bezahlung will heute niemand mehr, zumal Instagram, TikTok und Co. ja permanent unter Beweis stellen, dass wirklich jeder die reelle Chance hat, das schnelle Geld zu machen und etwas „fame“ abzubekommen, wenn er oder sie nur den richtigen Nerv trifft. Es ist ein bisschen wie Lotto spielen, aber irgendwie viel realer, oder?
Vielleicht spüren wir aber auch schon langsam die Auswirkungen der Überalterung unserer Gesellschaft. Immer mehr Rentner bei immer weniger Arbeitnehmer*innen. Höchste Zeit also, neue Perspektiven für Arbeitssuchende aus dem Ausland zu schaffen.
Das geht mir so durch den Kopf, wenn ich überlege, ob ich bei 16 Grad Außentemperatur an einem Samstag morgen tatsächlich ins unbeheizte Freibad wechseln soll. Ich glaube, Deutschland steuert auf ein ernsthaftes Problem zu oder steckt schon mittendrin. Sollte dieses Thema nicht bald ganz oben auf der Agenda unserer Regierung erscheinen, werden wir uns wohl auch in dieser Hinsicht an ein Leben mit deutlichen Einschränkungen gewöhnen müssen.
So ist es – ein trüber Schleier liegt über der Gesellschaft und funktioniert wie eine Bremse. Auch meine erwachsenen Kinder befinden sich in einer Lebenslähmung. Ausbildung / Studium? Viel Geld verdienen mit Sinn und gemütlichem Eifer ist en Vogue und ein schlaues Ziel, aber für den Anfang auch sicher ein zu romantischer Anspruch. Der Durst nach dem effizientesten Leben aller Zeiten ist derzeit größer denn je.
Ich frage mich aber auch wo die bereits ausgebildeten Menschen sind? Handwerker sind die neuen Könige! Und Fahrradmechaniker erst!! Allgemein empfunden haben sich wohl zu viele umorientiert. Im sozialen Bereich kann man sich die Jobs mittlerweile aussuchen und die Hilfesuchenden stehen auf langen Wartelisten (auch dabei: ausgebrannte berufstätige Krankenschwestern, die soziale Unterstützung benötigen).…Teilzeit, Erwerbsminderung, Langzeiterkrankungen. Ich erlebe viele Menschen als arbeitsmüde in einer desorganisierten Arbeitswelt. Strukturen der Vereinzelungen in den letzten Jahren haben auch im Berufsleben ihre Spuren hinterlassen. Ohne Gemeinschaft und Sicherheitsgefühl funktioniert der Mensch eben nicht (mehr)….. das ist nicht kompensierbar und es kostet auf allen Ebenen.
…ich schlage meinem Sohn vor, philosophierender Schreiner zu werden, selbständig. Sozialarbeiter / Pflege etc. momentan besser nicht, denn noch fehlt dafür die Wertschätzung, auch wenn verzweifelt gesucht. Aber er wird wohl eher ein philosophierender Physiker…. keine Ahnung wo die dann arbeiten.
…und Haare müssen in Zukunft eben selbst geschnitten werden, das gibt den neuen Future-Look. Spätestens dann werden auch Friseur(inn)e(n) die neuen Arbeitskönig(e)innen….*****::/
Philosophierender Schreiner klingt spannend…meine Friseurin meinte auch schon, der Friseurbesuch werde in absehbarer Zeit etwas sein, was sich nur noch die Gutbetuchten werden leisten können bei steigenden Energiekosten und höheren Kosten für das Personal, das berechtigterweise eine bessere Bezahlung möchte. Also sind wir gespannt, was wir selbst so an Schneidekünsten zustande bringen werden. Aber jetzt ganz im Ernst, du bringst das Thema wirklich gut auf den Punkt! Danke Dir.