Mein ärgster Feind

Als ich ein Kind war, konnte ich Krankheiten durchaus etwas Annehmliches abgewinnen. Im Bett liegen, Märchen CDs in Dauerschleife hören und Tee ans Bett gebracht zu bekommen, fühlte sich mit zunehmender Genesung durchaus gut an. Auch als ich erwachsen wurde und meine erste Festanstellung bekam, war Krank sein an sich zwar nichts Schönes, aber quasi eine natürliche Begleiterscheinung meines Berufs. Wer nah am Menschen arbeitet, bekommt eben den ein oder anderen Bazillus ab und mehr als einmal schickte mich mein Chef höchstpersönlich nach Hause, wenn die Symptome nicht mehr zu übersehen waren. Ich konnte mich in aller Ruhe auskurieren und erschien irgendwann wieder gut gelaunt bei der Arbeit. Und dann machte ich mich selbstständig. Und damit nahm das Übel seinen Lauf. Als ich mit meinem ersten Magen-Darm-Virus flachlag und beim Kunden anrief, ob es sehr schlimm wäre, wenn ich nicht kommen könne, wurde dieser Hinweis schlichtweg überhört und so schleppte ich mich quasi direkten Weges von der Toilette zum Job und gab mein Bestes. Ähnliches widerfuhr mir mit meiner Fiebermeldung und dem grippalen Infekt und nach dem dritten Mal war klar: es ist völlig egal, ob ich krank bin. Wenn ich gebucht bin, habe ich auf der Matte zustehen. Hauptsache der Job steht, mögliche Ansteckungen zweitrangig. Ausnahme: der zeitgleiche Bruch beider Arme. Seitdem schweben Infekte wie Damoklesschwerter über mir. Alles mit Erkältung ist dabei zu vernachlässigen, gibt es doch zu genüge Pharmazeutika, die einen beschwingt durch den Tag kommen lassen. Und sich nichts anmerken zu lassen, ist Teil des Spiels. Schließlich möchte sich niemand anstecken und so heuchelt man beste Gesundheit, lutscht Dauerbonbons, damit man keinen Hustenanfall bekommt, verdrückt sich zum Naseputzen unauffällig auf die Toilette und deckt die rote Nase umgehend wieder mit Make up ab. Happy, happy. Aber einer hält sich an keine Spielregeln. Er ist mein größter Feind und ich fürchte ihn wie der Teufel das Weihwasser: den Magen-Darm-Virus. Dieses hinterhältige Ding ist extrem ansteckend und man weiß nie, wann und mit welcher Wucht er zuschlägt. Er nährt meine persönliche Horrorvision: dem Kunden direkten Weges vor die Füße kotzen zu müssen. Das muss jetzt mal so ganz unverblümt raus und dieses Outing erklärt vielleicht mein manchmal befremdliches Verhalten im Umgang mit Infizierten. Ich sage Zusammenkünfte bei Kenntnisnahme umgehend ab, entferne verseuchten Besuch schnellstmöglich aus der Wohnung und reise sofort ab, erfahre ich von einem Befall. Magen-Darm geht einfach gar nicht. Also echt, sorry. Und so träume ich manchmal davon, einfach im Bett liegen bleiben zu können, Tee ans Bett gebracht zu bekommen und Märchen CDs zu hören. Und manchmal klappt`s ja mit dem Timing und ich habe frei, wenn der Feind mich heimsucht. Dass sich das gut anfühlen würde, wäre aber dann doch gelogen.

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