Mehr als 40 – alles hat seine Zeit

Hallo, ihr Lieben!

Ich freue mich, heute den ersten Beitrag zu Mehr als 40 mit Euch teilen zu dürfen, zum Lebensgefühl von uns nicht mehr ganz jungen Menschen. Ich hoffe, Euch macht das Lesen genauso viel Spaß wie mir! Danke, ihr fleissigen Schreiberlinge und wunderbaren Frauen. Here it is!!!Mama44

So, eigentlich hatte ich ihn ja schon längst fertig, meinen Text. Feingeschliffen, fehlerfrei. So hatte ich ihn ein Weilchen beiseite gelegt, um dann beim vermeintlich letzten Lesen festzustellen – geht gar nicht! Viel zu frustig, viel zu melancholisch, weg damit.

Gedankenvorlage war eines meiner Lieblingsgedichte gewesen, „Hälfte des Lebens“ von Hölderlin*. Ich fasse es knapp zusammen: Während uns in der ersten Lebenshälfte noch das üppige Leben blüht, geht es in der zweiten Lebenshälfte dann dahin, was bleibt, sind Einsamkeit und Kälte. (Zur Erklärung muss man vielleicht wissen, dass Hölderlin als „romantischer Melancholiker“ galt, im Laufe seines Lebens schwer erkrankt war und daher sehr zurückgezogen lebte. Das Gedicht ist wirklich wunderschön!)

Nun, was ob dieser intensiven Auseinandersetzung (ich hoffe immer noch primär mit dem Gedicht, und nicht meinem Leben) folgte, war eine heftige Welle der Wehmut. Wehmut nach vergangenen, unbeschwerten Zeiten, nach der Blüte der Jugend, nach jungen Männern, die Schlange stehen, um mit einem wegzugehen, nach der Welt, die einem offensteht, nach Chancen, die man als solche erkennt (und ergreift) und überhaupt.

Vor diesem Hintergrund war die Notwendigkeit einer Überarbeitung meines Textes nicht mehr zu leugnen. Wobei ich gestehen muss, dass die Sache mit der Wehmut nicht ganz vom Tisch ist. Es heißt zwar, wer in der Vergangenheit lebt, sei bereits gestorben, aber so ein bisschen den alten Zeiten hinterhertrauern sei doch gestattet. Es ist ja auch eine Hommage ans Leben, an die Liebe, an die Jugend … die jetzt natürlich weitergeführt werden will!

Also habe ich mir statt Hölderlin die Boulevardpresse zum Thema Ü 40 reingezogen. 40 ist das neue 30, so und ähnlich hieß es da. Cameron Diaz war noch nie so zufrieden, Penelope Cruz noch nie so glücklich und Madonna vermutlich noch nie so gestählt. Keine Ahnung, da habe ich mich jedenfalls auch nicht so richtig drin wiedergefunden.

Was mich schließlich bewogen hat, mich zu entsinnen, was in meinem 40. Lebensjahr tatsächlich so passiert ist. Gab es epochale Ereignisse? Emotionale Zusammenbrüche? Vorher vs. Nachher Erlebnisse? Mmmh. Eher nichts Besonderes. Das einzig Einschneidende in diesem Lebensjahr – und eben genau der 40 geschuldet – war, dass ich meinen Job gewechselt habe, aus halbfreien Stücken, würde ich sagen. Nach einer sehr langen und sehr glücklichen Zeit an der Uni hatte ich beschlossen, dass ich mit 40 keine befristeten Arbeitsverträge mehr unterschreiben wollte. (Auch heute noch würde ich befinden, dass dies ein durchaus legitimer Beweggrund war). So bin ich in die Wirtschaft gewechselt, wo ich in den letzten vier Jahren dann das gemacht habe, was man gemeinhin wohl als Karriere definiert.

Die Bilanz: Nun, über 40, habe ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag, verdiene deutlich mehr als mit unter 40, bin aber deutlich weniger erfüllt. Eine Entwicklung, die meine Wehmut nach vergangenen Zeiten sicherlich zu einem Teil erklärt und natürlich die Sinnfrage auf den Tisch bringt. Ich glaube aber, dass das ein anderes Thema ist, die Sinnfrage … Sicherlich sucht man mit zunehmendem Alter in dem, was man tut, verstärkt nach einem tieferen Sinn. Aber das würde ich nicht an der 40 festmachen. Und wenn ich meine Kinder frage, so ergibt es für sie durchaus einen tieferen Sinn, dass ich mehr verdiene 😉

Also auch hier keine bahnbrechenden Erkenntnisse im eindeutigen Kausalzusammenhang der 40. Zwischenstand meiner bisherigen Überlegungen ist somit, dass ich zu „Ü 40“ keine wirkliche Haltung habe. Für mich ist der Lauf der Zeit und der Dinge so in Ordnung, wie er ist. Für das meiste, was ich bislang erleben durfte, bin ich sehr dankbar. Und ich freue mich bedingungslos darüber, dass mein 12-jähriger Sohn bald größer und meine 16-jährige Tochter deutlich knackiger ist als ich.

Alles hat eben seine Zeit.

(Janet, 44)

* Und hier Höderlins Gedicht:

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

3 Gedanken zu „Mehr als 40 – alles hat seine Zeit

  1. Danke für Deinen tollen Beitrag. Mit Gedichtinterpretation hatte ich es ja noch nie so, ab er das habe ich jetzt verstanden 😉

  2. Hallo Ella, ein schöner Beitrag, den ich sehr gut nachvollziehen kann! Ich bin im gleichen Alter wie du und habe mich nach einer kleinen Krise kurz vor meinem 40. Geburtstag beruflich völlig umorientiert und bin in die Selbständigkeit gegangen. Ich bin gespannt wieder von dir zu hören! Vielleicht hast du Lust, auch einmal in meinen Blog rein zu lesen. Ich habe mich mit dem Thema Alter auch erst auseinander gesetzt. Liebe Grüße

    https://serendana.blog/2018/09/17/gibt-es-ein-bestes-alter/

    • Vielen Dank, auch dafür, dass Du Deine Gedanken zum Älter werden teilst! Viel Erfolg Dir auf Deinen neuen Wegen. Ich bin gespannt, was da noch kommen wird.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s