Kleine Freuden

In der Wochenzeitung „Die Zeit“ gibt es eine Rubrik, die „Was mein Leben reicher macht“ heißt. Leser*innen teilen Episoden und Momente ihres Lebens, die ihnen besonders viel Freude bereitet haben oder noch immer bereiten. Wie ich eben entdeckt habe, gibt es diese sogar in einem Geschenkband zusammengefasst:

https://shop.zeit.de/geschenkefinder/fuer-jeden-anlass/4044/was-mein-leben-reicher-macht-band-2

Ich lese diese Beiträge sehr gerne, da sie mir oftmals ein wohliges Schmunzeln entlocken und vielleicht auch dazu geführt haben, selbst mehr darüber nachzudenken, was ich denn zu erzählen hätte. Natürlich kann man das auch ganz im Stillen, zum Beispiel indem man ein Dankbarkeitstagebuch führt, um sich Positives bewusst zu machen und ganz still und heimlich zu bewahren. Aber ich bin ja eher etwas mitteilsam geraten, so dass ich gerne ein paar kleine Freuden mit euch teilen würde.

Die Schwimmbrille:

Seit ungefähr fünfunddreißig Jahren bin ich kurzsichtig. Während dieser Zeit war ich einige Jahre im Schwimmverein aktiv und zog auch später im Freibad regelmäßig meine Bahnen – zugegebenermaßen mit der ein oder anderen Kollision aufgrund meiner Fehlsichtigkeit. Vor wenigen Wochen setzte ich die Idee in die Tat um, mir eine Schwimmbrille mit Dioptrien zu kaufen. Der erste Besuch im Schwimmbad war einfach grandios. Ein Hochgefühl! Wie einfach es doch manchmal sein kann, etwas zu verändern und wie lange es dazu braucht. Seither erfreue ich mich jedes Mal, wenn ich ins Wasser tauche, daran, dass ich sowohl auf den Grund sehen, als auch allen anderen Schwimmer*innen galant, mühelos und vor allem rechtzeitig ausweichen kann.

Die Allee:

Es war ein ganz besonderer Tag in diesem Frühjahr, als eine Gartenbaufirma ohne Vorankündigung etwa fünfzehn Bäume in unserer Nachbarschaft entlang der Straße pflanzte. In wenigen Jahren wird eine prächtige Allee entstanden sein, die für moderatere Temperaturen im Sommer sorgen und den Spaziergängern Schatten spenden wird. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie wir zu diesem Glück gekommen sind, wer das geplant hat und wie lange die Aktion vorbereitet wurde. Nur ein paar Hinweisschilder deuten auf eine Beteiligung der Umweltbank hin, vielen Dank dafür. Wann immer ich an den jungen Bäumen entlang laufe, bin ich einfach nur glücklich.

Sausewind:

Jedesmal, wenn ich während des Berufsverkehrs oder am Einkaufssamstag mit wehenden Haaren an den stehenden Autokolonnen am Innenstadtring vorbeidüse, genieße ich das Gefühl grenzenloser Freiheit. Zugegebenermaßen erfreue ich mich auch ein wenig daran, dass die Menschen in ihren Fahrzeugen in diesem Moment nicht dieselbe Freude empfinden, weil sie sich über ihre Vordermänner oder -frauen ärgern müssen und nur im Schneckentempo vorankommen, während ich schon drei Ampeln weiter bin. Das ist nicht sehr nett von mir, das weiß ich. Deshalb empfinde ich auch ein wenig Mitleid, dass sie nicht Fahrrad und U-Bahn fahren können und auf ihre Autos angewiesen sind. Ich bin jedenfalls sehr dankbar, dass ich gesund bin und mir diese Momente vergönnt sind. Und ich würde sie sehr, sehr gerne mit ganz vielen Autofahrer*innen teilen. Ehrlich.

Habt ihr auch „kleine Freuden“, die ihr gerne mit mir teilen möchtet? Dann schreibt mir gerne und ich veröffentliche sie.

Bittere Schokolade

„Die Zeit“ vom 17.Dezember titelt mit (Zitat):

„Bittere Schokolade

Zur Weihnachtszeit klingeln die Kassen der Süßwarenindustrie.
Kaum einer weiß, auf wessen Kosten Ferrero und andere Hersteller an ihre Zutaten kommen.“
(Zitat Ende)

Hochgeschätzte Zeitredaktion, dem muss ich leider widersprechen. Es geht um Kinderarbeit. Um die Lebenswirklichkeit der Kinder auf den Plantagen, die nicht weiter von der glücklichen Kindheit entfernt sein könnte, die uns die Großkonzerne in ihrer Werbewelt suggerieren wollen. Ich bin davon überzeugt, dass alle, die auch zumindest gelegentlich „Die Zeit“ lesen schon von Kinderarbeit auf Kakao-, Kaffee oder sonstigen Plantagen gehört haben. Da macht ihr es uns verdammt leicht. Aber wir sollten uns nicht mit der selektiven Verdrängung von Unschönem abfinden. Im Gegenteil, es liegt an uns, neue Traditionen zu schaffen.
Wir sind mit all den Klassikern wie Kinderschokolade, Hanuta oder Duplo groß geworden und verbinden Kindheit mit so mancher dieser leckeren Süßigkeiten. Deshalb fällt es schwer, auf Fairtrade-Produkte umzustellen, sind wir doch Jahrzehnte lang konditioniert worden. Für unsere Kinder können das aber ganz andere Produkte werden. Es liegt an uns, diese Kette zu durchbrechen. Unsere Kinder werden sich in zwanzig Jahren mit Wehmut an den Rapunzel “Milch Michl“, den Alnatura „Weihnachtsmann“ oder Gepa Schokoriegel erinnern, wenn es die Produkte sind, die ihnen in ihrem Alltag begegnen. Mit Nichtwissen kann sich da schon lange niemand mehr herausreden.