Sola…wie?

Seit April dieses Jahrs sind wir Ernteteiler einer Solawi, also einer solidarischen Landwirtschaft. Grundprinzip ist, dass der (Bio)landwirt mit einem festen Betrag wirtschaften kann und die Gemeinschaft gemeinsam mit ihm das Risiko eventueller Ernteausfälle trägt, d.h. macht das Wetter gut mit und bleibt die Ernte von Schädlingen verschont, gibt es hohe Erträge. Wenn es allerdings, wie in diesem Jahr, wochenlang übermäßig regnet und die Setzlinge weggeschwemmt werden, fällt die Salaternte zwischenzeitlich auch mal komplett ins Wasser. (Dafür gibt es Mangold im Überfluss, dem die Nässe nicht so viel auszumachen scheint.) Ein Schnäppchen ist diese Form der Versorgung nicht, dafür sind die Ernteteiler*innen viel näher am Acker, bekommen unmittelbar mit, was gerade wächst (und was eben nicht) und was in der Natur passiert. Mit einem liebevoll beschriebenen Brief informierte uns der Landwirt, von dem wir unser Sommergemüse beziehen, die letzten Monate über alles, was es an Problemen und Freuden auf dem Hof gab. Toll!

Manchmal bedeutet die Solawi aber auch ordentlich Stress für mich, beispielsweise, wenn ein Ernteanteil einen überdimensionalen Blumenkohl und einen nicht minder großen Brokkoli beinhaltet, aber nur eine Person zuhause ist, die diese Gemüsesorten in nennenswerter Menge isst. Im Klartext heißt das dann für mich zwei Tage lang Blumenkohl-Brokkoli-Suppe, Blumenkohl überbacken, Blumenkohlsalat, Brokkoli pur und Brokkoli in der Asiapfanne, um dann verzweifelt den Rest einzufrieren. Besonders kompliziert sind die Wochen, in denen ich beruflich viel auf Achse bin und zusehen muss, wann ich diese wertvollen Lebensmittel zubereite. Lieferando wäre einfacher. In so einer Woche wünschte ich mir manchmal eine akute Heuschreckenplage. (Scherz!)

Und dennoch schätze ich es immer mehr, mich kulinarisch durch die Jahreszeiten treiben zu lassen. Denn irgendwann wird wieder ein Lebenszyklus greifbar werden, in dem ich mich nach Monaten des Entbehrens auf ein ganz bestimmtes Gemüse freuen werde, weil es das eben nur im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter gibt, ja sogar der Blumenkohl wird mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Das funktioniert selbstverständlich nur, wenn ich nicht mogle und nichts anderes zukaufe. Und ich fürchte, das werde ich, zu sehr gehören Tomate, Gurke und Paprika zu den Gemüsesorten, die das ganze Jahr auf den Tisch kommen und nur noch schwer zu entbehren sind. Das Bewusstsein, dass manche Gemüsesorten ohne Import nur zu bestimmten Zeiten verfügbar wären, ist manchmal völlig verloren gegangen. Anstatt sich im Winter mit Vitamin C aus Wirsing, Feldsalat oder Grünkohl zu versorgen, behelfen wir uns mit Vitamintabletten oder Zitronen aus Spanien. Und eigentlich müsste man das Obst nach der Ernte zu Kompott verarbeiten, um für den langen Winter vorzusorgen, Beeren trocknen und Vorräte anlegen. Naja, wie bei so vielen Vorhaben, ein bisschen mehr im Einklang mit der Natur zu leben, ist nach oben noch viel Luft.

Für manchen fleißigen Gartenbesitzer ist die naturnahe Ernährung seit jeher Alltag. Ich kann mich noch lebhaft an die Begeisterung meiner Mutter in meiner Kindheit erinnern, wenn sie mal wieder Berge von Obst und Gemüse aus unserem Schrebergarten zu Kompott oder anderswie verarbeiten sollte. Ich möchte also nichts romantisieren, Versorgung aus eigenem Anbau ist harte Arbeit und oft nicht mit dem Alltag zu vereinbaren. Aber für mich schließt sich ein wenig der Kreis, auch ohne eigenen Garten an der Ernte in unmittelbarer Nähe teilhaben zu können. Und einen weiteren Vorteil genieße ich ebenfalls. Heute stehen unzählig viele und vor allem vielfältige Rezepte zur Verfügung, um Lebensmittel auf unterschiedlichste Weise zu verarbeiten und vielleicht so neue Fans zu finden. Bei uns gab es heute beispielsweise aus dem Grünkohl einen Smothie, zusammen mit Apfel, Ingwer, Zitrone und Mandelmus. Sehr lecker, ehrlich.

Mal sehen, wie es mit uns und der Solawi so weitergeht. Und mal sehen, was ich in den nächsten Tagen noch so aus Rote Beete, Möhren, Raddicio, Mangold, Salat und Rettich zaubern werde. Bis zum ewigen Leben kann es bei so viel Gesundem jedenfalls nicht mehr weit sein.

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