1 Jahr Solawi – ein Resümee

Ich habe mich, glaube ich, noch nie so sehr über frisches Grün gefreut, wie an diesem Mittwoch, als nach einer langen Herbst-Winter-Saison voller Kohlsorten, unsere Lieferung der solidarischen Landwirtschaft einen Salatkopf, Postelein und Asia-Salat enthielt. Himmlisch. Ihr wisst nicht, was Asia-Salat ist? Und Postelein? Über den Asia-Salat(siehe Bild) habe ich selbst erstmal gerätselt, Postelein oder auch Portulak genannt, kenne ich seit einigen Wochen und weiß, dass er mit einer deftigen Jogurt-Knoblauch-Sauce angerichtet fantastisch schmeckt.

Die Freude darüber war deshalb so groß, weil ich in diesem Winter so viel Kohl gegessen habe, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Grünkohl, Schwarzkohl, Rosenkohl, Wirsing, Kohlrüben, Rotkohl und Weißkraut. Was es halt so bei uns gibt im Winter, frisch oder eingelagert wie Möhren, Kartoffeln oder Zwiebeln. Dass ich in einigen Nächten sogar wegen Bauchschmerzen aufgewacht bin, lag aber vor allem auch daran, dass je nach Sorte zwei bis drei meiner Mitesser wegfielen und da ich natürlich nichts von dem wertvollen Gut wegwerfen wollte, alles allein gegessen habe. An diese Mengen war mein Organismus definitiv nicht gewöhnt. Und dennoch bin ich nach wie vor begeistert davon, erstmals in meinem Leben wirklich mitzubekommen, was gerade bei uns auf den Feldern wächst – und was eben nicht. Und das ist eine ganze Menge. Diesen Winter gab es kein einziges Mal Sommergemüse wie Zucchini oder Aubergine bei uns und auch beim Zukauf von Salat beließen wir bei wenigen Ausnahmen. Bei Tomaten bekommen wir das leider nicht hin, sie sind ein wichtiges Nahrungsmittel in unserem Haushalt. Dafür lernten wir im Herbst Bittersalate kennen und schätzen. Sie vertragen leichten Frost und wachsen deshalb bis in den Winter hinein bei uns. Dass sie irre gesund sind, brauche ich nicht zu erwähnen, so wie viele Lebensmittel, die genau deshalb zu einer bestimmten Zeit bei uns wachsen, um uns mit den wichtigsten Nährstoffen zu versorgen. Und ich kenne jetzt mindestens sechs verschiedene Arten, Grünkohl zu verarbeiten, nämlich als Curry (geht immer und übertönt auch ungeliebte Geschmäcker), Lasagne, Moussaka, Smoothie, Salat und Chips.

Wenn man ein und dasselbe Lebensmittel immer wieder verarbeiten muss, wird man kreativ und probiert Neues aus. Und ich kann tatsächlich bestätigen, dass man sich an bestimmte Geschmäcker gewöhnt, je öfter man sie isst. Mit der Kohlrübe fremdele ich noch ein wenig (mein Hase mochte sie früher), dafür habe ich Wirsing inzwischen richtig lieb gewonnen. Zusammen mit Möhren und Champignons und satt mit Käse überbacken, ist er alles andere als langweilig. Jetzt esse ich mich die nächsten Monate mit ganz viel Rohkost satt und bin mir sicher, dass ich mich in einem halben Jahr genauso auf meine Kohlköpfe freuen werde, wie jetzt auf den ersten Salat. Es macht Spaß, Teil von etwas Größerem zu sein, den Kreislauf des Jahres mitzuerleben und ganz kleines bisschen mitzugestalten. Und es wäre toll, wenn noch viel mehr Menschen mitmachen würden. Unsere Solawi entwickelt sich immer weiter und ich hoffe, dass wir es eines Tages schaffen werden, dass auch Menschen mit sehr kleinem Geldbeutel dabei sein können, weil die Gemeinschaft einen Teil ihrer Beiträge übernimmt. Noch ist das leider Zukunftsmusik, aber ich hoffe, das wird eines Tages selbstverständlich sein. Es bleibt spannend und ich freue mich aufs nächste Jahr.

Wer mehr wissen möchte, kann sich hier informieren:

http://www.stadt-land-beides.de/ (Nürnberg/Fürth)

Eine Solawi in deiner Nähe:

https://www.solidarische-landwirtschaft.org/solawis-finden/auflistung/solawis

Die gute alte Quelle

Meine Quelle.jpgVor einiger Zeit kam ich mit ein paar jungen Leuten am alten Quellegelände in Fürth vorbei. Irgendwann fragte jemand „Was ist eigentlich die Quelle?“. Die Quelle, tja, wie soll ich sagen, eines der Versandhäuser meiner Kindheit, bei der wir regelmäßig unsere Kleidung bestellt haben. Deren Kataloge ich neugierig gewälzt habe und aus dessen Modellen Kleiderpuppen entstanden sind. Später arbeitete ich viele Jahre als Freelancer bei eben diesen Fotoshootings, die sich dann in dem Katalog wiederfanden. Und dann kam 2009 die Insolvenz und nicht mal zehn Jahre später ist sie für die Youngster kein Begriff mehr. Schon verrückt, wie sich das Kaufverhalten inzwischen verändert hat. Für sie kaum mehr vorstellbar, dass man ausschließlich in Geschäften eingekauft hat oder eben in diesen zweimal im Jahr erschienenen mehrere hundert Seiten dicken Hauptkatalogen gewälzt hat, um sein persönliches „It-Piece“ zu finden. Kein Zalando, kein Dawanda, kein Amazon. Was hat dieser Wandel gebracht? Natürlich, ich kann besser genau das finden, was auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Deshalb sind aber auch meine Ansprüche gestiegen. Auch die Verführung, mehr zu kaufen, ist größer geworden, zum einen, weil es durch die globale Konkurrenz im Netz viel mehr Produkte mit ansprechenden Designs gibt, aber auch weil immer ausgeklügelteres Targeting im Internet dafür sorgt, dass mir genau das angeboten wird, was mir gefällt. Die ursprünglich zwei Modesaisons im Jahr sind zu zwei Haupt- und zwei Prècollections geworden mit andauernden Sale Aktionen, um den Kaufanreiz weiter zu erhöhen. Das macht manchmal ganz schön müde. Natürlich bestelle auch ich online, vor allem, wenn ich etwas ganz Bestimmtes brauche. Ich gehe aber auch immer noch gerne in Geschäfte, weil ich nach wie vor finde, dass ein noch so gut fotografiertes Bild weder die Haptik eines Stoffes ersetzen kann, noch zeigt, wie die Klamotte an mir aussieht mit meinen individuellen Maßen und Problemzönchen. Das mag ziemlich old school sein, aber es gibt ja noch das ein oder andere Argument, dass auch für Youngster von Interesse sein dürfte. Zum Beispiel, dass wir nicht alles machen müssen, nur weil wir es können. Weil es den CO2 Ausstoß wieder reduziert, wenn wir nicht andauernd Pakete um die halbe Welt jagen. Weil der Einzelhändler keine Daten sammelt, wenn wir eine Hose anprobieren. Und weil es eigentlich ganz schön ist, wenn wir auch weiterhin durch die Stadt bummeln können und auch dort ein bisschen Vielfalt finden. Die Quelle hat seinerzeit den Wandel ins Internetzeitalter verschlafen, obwohl die Strukturen für den Versandhandel längst geschaffen waren. Und so werden sich bald immer weniger Menschen an die gute alte Quelle erinnern. In Memoriam.