Home schooling und eine mögliche Verlängerung

So, die zweite Woche Home Schooling nähert sich dem Ende. Mein Großer wird heute erstmals online zwei Unterrichtsstunden haben, juhuu! Ansonsten ist mein Resümee: sollte es das gewesen sein, okay, das lässt sich irgendwie verkraften mit all seinen Improvisationen und Ungereimtheiten. Sollte das home schooling allerdings in die Verlängerung gehen, sollte es auch definitiv besser laufen:

Es muss einen einheitlichen Kanal geben.

Egal, ob die Aufgabenverteilung durch eine einzige (!) E-Mail des/r Klassenlehrers/in mit einem Wochenplan stattfindet oder ausschließlich durch Internet Plattformen wie Mebis. Klare Strukturen sind notwendig. Bitte keine E-Mails Flut mehr mit verschiedensten Infos und Anhängen und bitte auch kein E-Mail/Mebis Mix, das würde vieles erleichtern.

Feste Abgabetermine und Kontrollen durch die Lehrkräfte.

Wo bei jüngeren Kindern vielleicht noch die Autorität der Eltern greift, versuchen sich manche Pubertiere durchzumogeln, wo es geht. Wenn es dann keine festen Abgabetermine gibt und nicht kontrolliert wird, ob die Hausaufgabe überhaupt gemacht wurde, sind die Druckmittel zu Hause begrenzt. Die Lehrkräfte müssen gar nicht alles korrigieren, sie können später Lösungsblätter ausgeben, aber sie sollten definitiv die Abgabe der Hausaufgabe einfordern.

So, das wären meine bescheidenen Wünsche im Falle einer Verlängerung. Eigentlich wünsche ich mir aber natürlich, dass die Schule bald wieder weitergehen wird und wir komplett vom Homeschooling erlöst werden. Ich muss jetzt Schluß machen und mich um die Schule kümmern. Vielleicht trinke ich noch schnell einen Schnaps oder werfe Baldrian ein. Besser ist es…

Permanent Record

Als ich vor einiger Zeit mit Freundinnen in der Kneipe saß, kochten auf einmal die Emotionen hoch. Es ging um die Digitalisierung und deren Begleiterscheinungen. Das Empfinden darüber, was am Datensammeln gut und praktisch oder aber überwachend und bedrohlich zu sein scheint, geht meilenweit auseinander, allein schon deshalb, weil es für manche im Berufsleben inzwischen völlig selbstverständlich ist und daher gar nicht hinterfragt wird, während andere die Digitalisierung noch weitestgehend aus ihrem Leben herauszuhalten versuchen. Es gibt die hartnäckigen Verfechter der These, ihre Daten seien uninteressant, sie hätten nichts zu verbergen und überhaupt diene ihre Erfassung, wenn überhaupt, der Optimierung ihres Lebens. Die andere Seite fürchtet die Entwicklung von der Demokratie hin zum Überwachungsstaat, der mit Hilfe von Daten bewerten, kategorisieren und manipulieren kann.

Eine Fortführung dieser verhärteten Fronten beschreibt Bijan Moini in seinem Roman „Der Würfel“, den ich bereits vor einiger Zeit vorgestellt habe. Dort gibt es die „Offliner“, die isoliert in abgeschotteten Dorfgemeinschaften leben und sich dem Digitalen völlig verwehren. Die „Gaukler“ leben zwar innerhalb des Systems, versuchen aber es auszutricksen, in dem sie bewusst Dinge tun, die sie eigentlich nicht mögen und sonst nie tun würden, damit sie nicht einzuschätzen sind. Auch sie beziehen ein Grundeinkommen, aber die „Kubisten“, die so viel wie möglich von sich preisgeben, werden mit zusätzlichem Einkommen und Annehmlichkeiten belohnt. Je mehr Daten, umso mehr Vorteile im Leben. Moini hat sich seine Zukunftsversion der Welt sehr detailliert und schlüssig erdacht und leider wirkt sie eher wie eine mögliche Version von morgen als wie Science Fiction. Wer also mal lesen möchte, wie Leben in digitaler Überwachung aussehen könnte, kann hier einen Eindruck gewinnen.

Als sich Edward Snowden vor einigen Monaten anlässlich des Erscheinens seiner Biographie aus seinem russischen Exil zu Wort meldete, um erneut davor zu warnen, wie sich das Internet entwickelt hat und zu mahnen, dass es einer (technisch möglichen) Form bedürfe, die ohne das Datensammeln einiger weniger Monopolisten auskomme, hatte ich gehofft, dass es eine breite Diskussion auslöse. Aber seine Aufrufe verebbten weitgehend ungehört. Dabei wäre es so wichtig, heute das Internet so zu gestalten, dass es wieder dem Nutzer dient und nicht der Wirtschaft und den Regierungen. Die Möglichkeiten des Internets zu nutzen ohne sie zu missbrauchen, würde die Menschen wieder zusammenbringen, die sich jetzt so uneins sind über Fluch und Segen der Digitalisierung. Das Gelingen scheint mir momentan aber eine Utopie zu sein.

Edward Snowden hat sein Leben aufgegeben, um die Menschen über das illegale, massenhafte Datensammeln der Geheimdienste aufzuklären und er tat dies im felsenfesten Glauben an die amerikanische Verfassung und aus der Überzeugung, dass der Staat den Menschen dienen müsse und nicht umgekehrt. Seine Biographie beschreibt seinen Weg dorthin und lässt besser verstehen, warum er zum Whistlerblower wurde. Auch im Exil kämpft er weiter für eine bessere Welt und arbeitet nach wie vor beispielsweise am verschlüsselten Messanger Signal mit. Mit Hilfe zahlreicher Unterstützer kann er sein Wissen in Vorträgen weitergeben und sich für seine Mission einsetzen. Solange wir Nutzer aber so gleichgültig sind und zulassen, dass Amazon, Google, Facebook und Co. unsere Daten sammeln und weitergeben, spüren die Konzerne keinen Druck, etwas an ihren Geschäftspraktiken zu verändern.

Bildschirmfoto 2020-01-15 um 17.21.21Es bedarf natürlich weit mehr, nämlich einer entsprechenden Gesetzgebung, aber auch gutem Unterricht an den Schulen. Damit unsere Kinder technische Grundkenntnisse zum Schutz ihrer Daten erlernen, aber auch überhaupt erstmal ein Bewusstsein dafür zu bekommen, warum wir uns nicht daran gewöhnen sollten, gläsern zu werden. Warum die Face-ID des Handys zwar praktisch ist, aber auch die Hemmschwelle für eine generelle Gesichtserkennung heruntersetzt. Es bedarf weit mehr als der technischen Ausrüstung der Schulen.

Würden Edward Snowdens Vorstellungen vom Internet umgesetzt, müssten wir uns auf jeden Fall nicht mehr streiten. Das wäre fantastisch.

 

Permanent Records von Edward Snowden

Fischerverlag      ISBN    978-3-10-397482-9

 

Die gute alte Quelle

Meine Quelle.jpgVor einiger Zeit kam ich mit ein paar jungen Leuten am alten Quellegelände in Fürth vorbei. Irgendwann fragte jemand „Was ist eigentlich die Quelle?“. Die Quelle, tja, wie soll ich sagen, eines der Versandhäuser meiner Kindheit, bei der wir regelmäßig unsere Kleidung bestellt haben. Deren Kataloge ich neugierig gewälzt habe und aus dessen Modellen Kleiderpuppen entstanden sind. Später arbeitete ich viele Jahre als Freelancer bei eben diesen Fotoshootings, die sich dann in dem Katalog wiederfanden. Und dann kam 2009 die Insolvenz und nicht mal zehn Jahre später ist sie für die Youngster kein Begriff mehr. Schon verrückt, wie sich das Kaufverhalten inzwischen verändert hat. Für sie kaum mehr vorstellbar, dass man ausschließlich in Geschäften eingekauft hat oder eben in diesen zweimal im Jahr erschienenen mehrere hundert Seiten dicken Hauptkatalogen gewälzt hat, um sein persönliches „It-Piece“ zu finden. Kein Zalando, kein Dawanda, kein Amazon. Was hat dieser Wandel gebracht? Natürlich, ich kann besser genau das finden, was auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Deshalb sind aber auch meine Ansprüche gestiegen. Auch die Verführung, mehr zu kaufen, ist größer geworden, zum einen, weil es durch die globale Konkurrenz im Netz viel mehr Produkte mit ansprechenden Designs gibt, aber auch weil immer ausgeklügelteres Targeting im Internet dafür sorgt, dass mir genau das angeboten wird, was mir gefällt. Die ursprünglich zwei Modesaisons im Jahr sind zu zwei Haupt- und zwei Prècollections geworden mit andauernden Sale Aktionen, um den Kaufanreiz weiter zu erhöhen. Das macht manchmal ganz schön müde. Natürlich bestelle auch ich online, vor allem, wenn ich etwas ganz Bestimmtes brauche. Ich gehe aber auch immer noch gerne in Geschäfte, weil ich nach wie vor finde, dass ein noch so gut fotografiertes Bild weder die Haptik eines Stoffes ersetzen kann, noch zeigt, wie die Klamotte an mir aussieht mit meinen individuellen Maßen und Problemzönchen. Das mag ziemlich old school sein, aber es gibt ja noch das ein oder andere Argument, dass auch für Youngster von Interesse sein dürfte. Zum Beispiel, dass wir nicht alles machen müssen, nur weil wir es können. Weil es den CO2 Ausstoß wieder reduziert, wenn wir nicht andauernd Pakete um die halbe Welt jagen. Weil der Einzelhändler keine Daten sammelt, wenn wir eine Hose anprobieren. Und weil es eigentlich ganz schön ist, wenn wir auch weiterhin durch die Stadt bummeln können und auch dort ein bisschen Vielfalt finden. Die Quelle hat seinerzeit den Wandel ins Internetzeitalter verschlafen, obwohl die Strukturen für den Versandhandel längst geschaffen waren. Und so werden sich bald immer weniger Menschen an die gute alte Quelle erinnern. In Memoriam.

Das System Amazon

Dass bei so manchem Internet Riesen nicht immer alles arbeitsrechtlich und moralisch ganz korrekt läuft, ist nichts Neues. Wie weit diese unsauberen Methoden aber tatsächlich gehen und dass das so möglich ist, ist dann doch erschreckend. Höchste Zeit, gegenzusteuern und dieses Verhalten nicht durch gedankenloses Shoppen zu unterstützen. Eine beeindruckende Reportage aus der Reihe „Die Story“ im Ersten.

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Facebook, Twitter, Instagram , Google+, You tube, tumblr, pinterest, Xing – und wo bleibe ich?

Während sich unsere Großeltern im Laufe ihres Älterwerdens nur daran gewöhnen mussten, dass Telefone zunächst keine Wählscheiben mehr hatten, dann keine Schnur und man sie schließlich überall mit hinnehmen konnte, mussten sich unsere Eltern der Herausforderung des Internets stellen, wollten sie nicht vorzeitig zum alten Eisen gehören. Mit welchen Herausforderungen wir einmal konfrontiert sein werden, mag ich mir gar nicht vorstellen, teilt sich doch bereits jetzt die Gesellschaft in die Gruppe der begeisterten Internetnutzer, die bei Facebook, Twitter oder Instagram zu Hause sind und in die „Verweigerer“, für die es das höchste Maß an Anpassungsbereitschaft ist, einen E-Mail Account zu haben. Die nicht wissen, was ein Blog ist und Angst davor haben, auf Facebook zu erscheinen, sollten sie auf ein falsches Feld klicken. Ursache für die weite Bandbreite an Nutzungsbereitschaft ist sicherlich oft der Beruf, denn der ist meiner Meinung nach einer der Hauptgründe jenseits der dreißig, sich mit Social Media und den ständig neuen Plattformen auseinandersetzen zu müssen – oder eben auch nicht. Wer im weitesten Sinne mit PR zu tun hat, kommt nicht um Social Media herum. Als kleiner Ein-Mann(Frau)-Betrieb kann man das Füttern der verschiedenen Netzwerke und Plattformen allerdings kaum mehr stemmen, auch wenn Posts inzwischen automatisch auf verschiedene Plattformen gestreut werden können. Größere Firmen haben heute fast alle zusätzliches Personal, das sich ausschließlich um zeitlich perfekt abgestimmte Posts, Tweets und Pins kümmert. Was vor gefühlt sieben Jahren massentauglich mit „like mich auf Facebook“ begann, sieht inzwischen aus wie eine Werkzeugpalette im Photoshop: Facebook, Twitter, Instagram , Google+, You tube, tumblr, pinterest, Xing und jeden Monat ein neues Tool. Wer nicht muss, ist meist froh, nichts damit zu tun zu haben und hat oft wenig Ahnung, worum es dabei geht. Und so teilt sich die schöne, neue Welt, schon lange, bevor wir alt geworden sind. Fakt ist, dass technische Entwicklungen immer schneller fortschreiten und wer nicht mithält, ganz schnell draußen ist. Ältere Rechner funktionieren nicht mehr mit neuer Software, der ältere Drucker nicht mehr mit dem neuen Rechner. Ich selber bin schon lange nicht mehr in der Lage, Telefon- und Internetleitungen anzuschließen und ein funktionierendes System aus Rechnern und Festplatten einzurichten. Ich synchronisiere weder verschiedene Endgeräte, noch nutze ich die Cloud. Ich bin eben eine aus der Grauzone. Noch lange, bevor ich grau geworden bin. Wo ich in zwanzig Jahren sein werde, liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft.