Heute ist der letzte Tag meiner kleinen Winterpause. Jetzt gilt es wieder, die Trägheit der Feiertage, das lange Schlafen und das Sich-treiben-lassen aus dem Fell zu schütteln, wie ein nasser Hund das Wasser nach dem Sprung in den See. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich auf den Alltag freue, aber genauso wie sich eine schöne Reise meist schon nach ein paar Tagen wieder sehr lang her anfühlt, ist der Schweinehund schnell überwunden und alles läuft ganz normal.
Was ich natürlich auch sehr vermissen werde, ist meine Lesezeit und die habe ich diesmal unter anderem mit der Lektüre von Lize Spits „Und es schmilzt“ verbracht. Und ich habe lange überlegt, ob ich Euch das Buch empfehlen soll. Denn es ist schrecklich. Und es ist großartig. Und es hat mich nächtelang verfolgt, was weniger schön war. Lize Spit schreibt so, dass man kaum glauben kann, dass sich diese junge Frau das nur ausgedacht hat. Die Handlung läuft so glaubhaft auf diesen einen Tag zu, an dem das Schreckliche passiert, dass man ihm schon lange entgegenbangt und sich dem Zuschauen dennoch nicht entziehen kann. Der Roman handelt von der Freundschaft zwischen Eva, Laurens und Pim, die in einem kleinen belgischen Dorf aufwachsen und gemeinsam unterrichtet werden. Eva lebt mit ihrer kleinen Schwester Tesje und ihrem großen Bruder Jolan bei den alkoholabhängigen Eltern. Während Tesje immer mehr Zwangshandlungen entwickelt und in die Magersucht flieht, gelingt es Eva und ihrem Bruder, ein halbwegs normales Leben zu führen. Die Freundschaft zu ihren beiden Freunden ist Eva ein wichtiger Anker. Um so schwieriger wird es, als sich die drei langsam zu Teenagern entwickeln und die Unterschiede immer offensichtlicher werden. Um ihre Freunde nicht zu verlieren, lässt sich Eva auf ein Spiel ein…
Die Autorin beschreibt die Protagonisten und ihr Umfeld so präzise, dass man alles vor sich sieht, den chaotischen Garten von Evas Familie voller unvollendeter Projekte, den Bauernhof mit den Stallungen und der Jauchegrube von Pims Familie und den Schlachtbetrieb von Laurens Eltern, wo sich die Kinder abwechselnd treffen. Man sieht die Koppeln und die Dorfkerwa, die Dorfstrassen und den Gemeindesaal und genau deshalb schafft es Lize Spit, den Leser bis ins Mark zu erschüttern.
So, sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt! Einen guten Start ins neue Jahr.
Eure Ella
Lize Spit „Und es schmilzt“ ISBN 978-3-10-397282-5 Verlag: S.Fischer