Buchtipp: „Während die Welt schlief“ von Susan Abulhawa

Während die Welt schlief.JPGSusan Abulhawa erzählt in „Während die Welt schlief“ von einer palästinensischen Familie, die 1948 wegen der Gründung Israels und der damit einhergehenden Besatzung palästinensischer Gebiete aus dem kleinen Dorf Ein Hod vertrieben wird, wo sie seit Jahrhunderten als Bauern vom Oliven- und Feigenanbau in dem damals noch sehr fruchtbaren Land gelebt hatte. Wir erfahren vom Schicksal des Familienoberhaupts Yahya und seiner Frau Basima, deren Kinder Hasan und Darwisch, den Kindeskindern Yussuf, Ismael und Amal und schließlich deren Tochter Sara, die die Geschichte als eine der wenigen Überlebenden zu Ende schreibt. Was dieser Familie im Laufe der Jahrzehnte an Unrecht angetan wird, ist kaum zu ertragen. Nachdem die Überlebenden der Vertreibung Zuflucht im Flüchtlingslager Jenin finden und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen, wird das Lager 1967 von den Israelis angegriffen und wieder gibt es Tote und Verletzte. Die kleine Amal überlebt, tagelang versteckt in einem Loch im Küchenboden und muss erleben, wie ihre Cousine, noch ein Säugling, von einem Granatensplitter getroffen, in ihren Armen stirbt. Ihre Mutter, die bereits einen Sohn als Säugling verloren hat und deren Mann nach den Angriffen nicht mehr wiederkehrt, zieht sich immer mehr in sich zurück und verliert schließlich jeden Kontakt zur Realität. Und doch ist das Leid der Familie damit noch immer nicht beendet. 1982 wird ein Teil der Familie Opfer des Massakers „Operation Frieden für Galiläa“ im Flüchtlingslager im Libanon, bei dem 14000 Menschen getötet werden. 2002 gibt es einen erneuten blutigen Angriff auf Jenin, dem „Schlupwinkel der Terroristen“, der Heimat vieler Familien ist.

„Während die Welt schlief“ erzählt von Folter und Willkür, von Ohnmacht, Verbitterung und Radikalisierung. Davon, wie Menschen sich verändern und mit der Welt umgehen, wenn ihnen solche Schicksalsschläge widerfahren. Es geht aber nicht um Feindbilder und Schuldzuweisungen, denn beide Seiten, Juden wie Palästinenser haben viel Unrecht erlebt, und manche von ihnen sind Opfer und Täter zugleich. Der Roman erzählt aber auch von Liebe, Vergebung und Freundschaft zwischen Menschen, egal welcher Herkunft und Religionszugehörigkeit. Wie viel Leid und Unmenschlichkeit allerdings vielen Palästinensern in den besetzten Gebieten angetan wurde und immer noch wird, verschlägt einem die Sprache und ich habe bitterlich geweint, als ich das Buch zu Ende gelesen habe. Die Hoffnung bleibt, dass die junge Generation es schafft, dass sich diese beiden Länder endlich einmal die Hände reichen können, um in Frieden miteinander zu leben.

Die Autorin Susan Abulhawa ist das Kind von Palästinensern und wuchs in Jerusalem , Jordanien und den USA auf. Auch wenn der Roman nicht autobiografisch ist, enthält er doch Teile ihrer eigenen Geschichte. Susan Abulhawa hält sie sich streng an geschichtliche Fakten und möchte die Welt aufrütteln, wahrzunehmen, was in Palästina geschieht. Sie ist Menschenrechtsaktivistin und hat die NGO „Playgrounds for Palestine“ gegründet, die Spielplätze in Flüchtlingslagern baut. Ihr neuer Roman heißt „Als die Sonne im Meer verschwand“, wieder ein Familienepos, das auf die Situation der Palästinenser aufmerksam macht und von den Kritiken hoch gelobt wird.

 

Diana Verlag,   ISBN: 978-3-453-35662-7

Buchtipp: Am Ende bleiben die Zedern

Heute finden nach fast zehn Jahren Parlamentswahlen im Libanon statt. Ein neues Wahlgesetz ermöglicht erstmals auch unabhängigen Kandidaten, die sich nicht über ihre Religionszugehörigkeit definieren, mehr Chancen. 66 von 1000 Kandidaten treten als unabhängig an. Das ist eine neue Bewegung gegen das Establishment. Im Libanon leben 18 anerkannte religiöse Gruppen, die Macht wurde bisher nach strengen Regeln zwischen verschiedenen Vertretern aufgeteilt. Dabei werden beispielsweise die Schiiten vom Iran unterstützt, die Sunniten von Saudi Arabien, es gibt Einflussnahmen von Syrien und Israel. Warum ich mich dafür interessiere? Weil ich gerade erst den Roman „Am Ende bleiben die Zedern“ von Pierre Jarawan gelesen habe. Eine berührende Familiengeschichte, in der man viel von diesem gespaltenen Land erfährt, von seiner Schönheit, seinen Konflikten und Kriegen. In der man einen Eindruck davon bekommt, wie schwierig es sein kann, Geschichte festzuschreiben, in einem Land in dem es so viele unterschiedliche Glaubensrichtungen, Parteien und Sichtweisen gibt. Es bleiben mehr Fragezeichen als Antworten zurück. Was ich aber verstanden habe, ist, dass eine Lösung der politischen Führung von der Religion ein ganz wichtiger Schritt in eine gute Richtung sein könnte.

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Pierre Jarawan   „Am Ende bleiben die Zedern“

Berlin Verlag         ISBN: 978-3-8270-1302-6