Buchtipp: „Maksym“ von Dirk Stermann

Als mir eine Freundin „Maksym“ von Dirk Stermann schenkte, sagte mir der Name des Autors rein gar nichts. Wie der kurzen Autorenbeschreibung zu entnehmen ist, lebt der in Duisburg geborene Moderator und Kabarettist wie auch seine Romanfigur seit langem in Wien. Überhaupt schreibt Dirk Stermann über das etwas ausgeschmückte und fiktional variierte Leben des Dirk Stermann und ist dabei sogar Wiederholungstäter- es ist nicht sein erster Roman.

Wie mir gerade auffällt, verfolgen mich in jüngster Zeit die Österreicher*innen (siehe „Dunkelblum“, „Alles finster“). Auch „Maksym“ lebt von den regionalen Gepflogenheiten, dem „Schmäh“, den Eigenarten und den liebenswerten Besonderheiten der Sprache, wenn den Romanen auch sonst nichts gemein ist. Jedenfalls veranlasste mich nicht der Autor, mit dem Roman zu beginnen, da ich ihn ja, wie gesagt, nicht kannte, sondern die Überschrift der Rückseite.

Maksym: Türsteher, Kampfsportler, Babysitter.

Das klang ein bisschen platt, aber auch grotesk und unterhaltsam. Und das wurde es. Ja, dieses Buch wurde für eine kurze Zeit eine Art Weggefährte, der mich schon beim Frühstück begleitete. Der erste Kaffee am Morgen – ach ja, mal sehen, was bei Dirk heute so los ist. Dirk Stermann schreibt einfach wahnsinnig sympathisch und schonungslos ehrlich. Der Mann kann über sich lachen, er schönt nichts und gibt sich keinen Illusionen hin. Er ist das Gegenteil des alten weißen Mannes, auch wenn er rein optisch von diesem kaum zu unterscheiden ist. Dieser Mann hat Humor, mitunter bösen, und alles, was er nicht hat, hat Maksym, sein ukrainischer Babysitter. Und den hat er wegen seiner jungen Frau und dem gemeinsamen, kleinen Sohn. Also genau genommen, weil diese sich nach der Elternzeit eben auch mal verwirklichen möchte (und das ausgerechnet in New York) und er ja eh ständig beruflich unterwegs ist.  So, ich finde das reicht als Appetizer, ich möchte euch ja nicht die intimen Momente mit Dirk und seiner Schamhaarphobie vorwegnehmen…ups

Verlag: Rowohlt ISBN: 978-3-498-00267-1

Fernsehtipp: „Alles finster“

Der Übergang vom „endless summer“ in das finstere, kalte und verregnete Tal der Vorboten des Winters verlief wahrlich abrupt. Nichts mit goldener Herbst. In Nürnberg duftet es, wenn man mit dem Rad durch manche Straßen fährt, passenderweise wieder nach Lebkuchen. Die Abende des vergangenen, verregneten Wochenende haben wir nur mithilfe dieser sechsteiligen Miniserie gut überstanden, die ich Euch für kommende, finstere und trostlose Abende empfehlen möchte.

„Alles finster“ beginnt recht zäh auf einem Fußballfeld irgendwo in Österreich, wo die Mannschaften zweier rivalisierender Dörfer gegeneinander im Pokalspiel antreten. Dann geht auf einmal das Licht aus und die Geschichte um ein europaweites Blackout Fahrt nimmt schnell Fahrt auf. Auf humorvolle Weise erleben wir, wie schnell unser gewohntes Leben still steht, wenn wir keinen Strom mehr haben. Da wäre beispielsweise die Klospülung, die ohne nicht mehr geht oder das vollautomatisierte Haus, das sich nicht mehr öffnen lässt. Lieferketten, die zusammenbrechen, geplünderte Supermärkte, leere Benzintanks, kein Kontakt zur Außenwelt. Jetzt könnte man meinen, um Himmels Willen, in diesen Zeiten, wo wir ohnehin mit Energieknappheit und explodierenden Preisen leben müssen und Horrorszenarien mit uns auf Tuchfühlung gehen, möchte man sich sowas eigentlich nicht ansehen. Aber dafür gibt es ja die heilsame Kraft des Humors. Jede Folge endet mit einem derart gut platzierten Cliffhanger, dass man sofort weiter schauen möchte. Das Schicksal der durchaus schrulligen, aber am Ende doch irgendwie liebenswerten Dorfbewohner*innen lässt einen eben nicht kalt. Die charismatische Maria Fussenegger, die die unter einer Angststörung leidende Fußballerin Laura spielt, könnte sofort die nächste Sissi spielen, so sehr geht einem das Herz auf, wenn sie strahlt. Tja, ein bisschen Balsam für die geschundene Herbstseele eben. Nebenwirkungen sind übrigens nicht ausgeschlossen, manch eine(r) von Euch wird vielleicht seine Vorratskammer noch vor dem Finale aufstocken.

Viel Spaß beim Gucken!

https://www.ardmediathek.de/video/alles-finster/folge-1-alles-finster-s01-e01/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzEzNmFjNDBmLWJjYTItNGFjYi1iNWU4LWI5OTk4NWQ5NGY4Ng

Buchtipp: „Dunkelblum“ von Eva Menasse

Anfang des Jahres ergatterte ich in unermesslicher Vorfreude Karten für eine Lesung der Schriftstellerin Eva Menasse aus ihrem Roman „Dunkelblum“. Der Name der Autorin sagte mir etwas, ich war mir sogar ziemlich sicher, bereits etwas von ihr gelesen zu haben, was mir allerdings nicht wirklich gefallen hatte, wie ich mich zu erinnern glaubte. Nach coronabedingter Kulturabstinenz erschien mir diese Tatsache keineswegs bedeutsam und ich freute mich auf einen unterhaltsamen Abend mit einer guten Freundin. Erst an dem Abend der Veranstaltung im April erfuhr ich, dass diese Lesung aus pandemischen Gründen bereits zweimal verschoben worden war, so dass der Großteil des Publikums den im Sommer des Vorjahres erschienenen Roman bereits gelesen hatte. Ich ja zum Glück nicht und so harrte ich in freudiger Erwartung und in dem in die Jahre gekommenem Ambiente bei Aperol Sprizz und tomatisierter Gemüsesuppe (kein Witz!) der Lesung.

Und dann betrat Eva Menasse ihre Bühne und bezauberte uns mit ihrem Charme, ihrem Wissen und den Auszügen aus ihrem beeindruckenden Roman. Die Schriftstellerin hat neben Germanistik auch Geschichte studiert und wer meinen Buchgeschmack schon ein wenig kennt, weiß, dass ich Romane liebe, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Ausgangspunkt für die Entstehung von „Dunkelblum“ war eine lange Recherche zu so genannten Endphaseverbrechen in österreichischen Dörfern im Burgenland kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs. Dort wurden zahlreiche jüdische Zwangsarbeiter von Einheimischen niedergemetzelt, kurz bevor die Sowjetarmee über Ungarn einmarschierte, vermutlich um Zeugen von Gräueltaten zu beseitigen. In vielen dieser Dörfer wurde diese bittere Vergangenheit aufgearbeitet, aber es gab wohl eines, in dem die Leichen bis heute nicht gefunden wurden. Diese Entdeckung führte dazu, dass Eva Menasse begann, sich damit zu beschäftigen, wie eine Dorfgemeinschaft mit solch einem Wissen über Täter, Mitläufer und Unbeteiligte hatte weiterleben können, ohne ihr Schweigen zu brechen. Auf Grundlage ihrer Recherche erschuf die gebürtige Burgenländerin in ihrem Roman ein eigenes, fiktives Dorf, nämlich Dunkelblum, mit all seinen unterschiedlichen Charakteren, vom Hitlerjungen, über den SS-Mann über den jüdischen Lebensmittelhändler, mit Nutznießern des Nazi-Regimes, Vertriebenen und Zurückgekehrten und erdachte akribisch genau, wie sich das hätte zutragen können. Allerdings lässt sie die Dorfgemeinschaft nicht zu Kriegszeiten agieren, sondern im Jahr 1989, als die ersten DDR-Flüchtlinge über eben jene Grenze von Ungarn nach Österreich fliehen, wo damals die Zwangsarbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen einen Schutzwall gegen die vorrückende Sowjetarmee hatten ausheben müssen. Als kurz darauf menschliche Knochen gefunden werden und eine junge Frau verschwindet, die sich sehr für die Vergangenheit Dunkelblums interessiert hat, gerät alles in Bewegung.

Wer jetzt den Eindruck bekommen hat, es handele sich um einen düsteren Roman, der irrt. Eva Menasse hat einen angenehm süffisanten Ton gefunden, um die Bewohner und ihre Lebensstrategien zu skizzieren. Sie wirft immer wieder mal einen typischen burgenländischen Ausdruck wie beispielsweise „altvaterisch“, „Das geht sich nicht aus“ oder „Geh heast“ ein, so dass die Sprache auch dann lebendig wird, wenn man ihre Stimme nicht im Ohr hat – auch, wenn das zugegebenermaßen besonders viel Spaß macht. Überhaupt ihre Sprache! Man könnte sie fast als verspielt bezeichnen, sie findet immer wieder wunderbare Metaphern und kluge Beschreibungen für das kleine Grenzdorf und seine Bewohner. Schon die ersten Zeilen ihres Romans geben einen kleinen Eindruck:

„In Dunkelblum haben die Mauern Ohren, die Blüten in den Gärten haben Augen, sie drehen ihre Köpfchen hierhin und dorthin, damit ihnen nichts entgeht, und das Gras registriert jeden Schritt.“

Ich bin noch nicht ganz fertig mit Lesen, weiß aber jetzt schon, dass es eines dieser Bücher sein wird, bei dem ich bedauern werde, wenn es vorbei ist. Ein toller Roman für alle, die sich für Sprache begeistern, für Geschichte und den Menschen in all seinen Facetten und Kuriositäten. Danke, liebe Frau Menasse.

„Dunkelblum“ von Eva Menasse

Verlag: Kiepenheuer & Witsch ISBN: 978-3-462-04790-5

Und wer mal wieder zu einer guten Lesung in etwas altmodischem Ambiente gehen möchte, kann es hier versuchen: https://literaturhaus-nuernberg.de/programm