Mutmachzeilen

Es gibt inzwischen leider viele Menschen, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aussprechen und Stimmung gegen Flüchtlinge machen. Und es gibt viele, die jetzt schon im Niedriglohnsektor beschäftigt sind und sich ernstzunehmende Sorgen wegen der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt machen. Es gibt Menschen, die sich von Berufs wegen oder ehrenamtlich so einsetzen, dass es gelingt, Flüchtlinge zu integrieren. Und es gibt viele Menschen, die sich eigentlich gerne für die Integration von Flüchtlingen engagieren würden, es aber nicht tun, weil sie sich nicht in der Lage sehen neben Job, Familie, Haushalt und Hobby genug Zeit für die ehrenamtliche Arbeit aufzubringen. Weil wir oft zwischen ganz oder gar nicht entscheiden. Dabei kann in diesem Fall „ein bisschen“ ganz viel bewirken. Denn für jemanden, der nichts hat, ist ein bisschen unter Umständen ganz schön viel. Es gibt inzwischen maßgeschneiderte Aushänge von Städten und Kommunen, in denen jemand für die Nachhilfe, für die Wohnungssuche oder für eine Familienpatenschaft gesucht wird. Wir können sogar zwischen Stadtteil, Geschlecht, Alter und Herkunftsland auswählen. Wieso also nicht einfach jemanden suchen, der zu den eigenen Bedürfnissen ganz gut passt und so möglichst einfach integriert werden kann. Jemanden, den wir einfach zum nächsten Ausflug in den Zoo mitnehmen können oder zu einer kleinen Wanderung. Ein Gespräch mit Deutschsprachigen hilft den Geflüchteten, die neu zu erlernende Sprache zu üben, da sie in den Unterkünften ja meist nur mit Landsleuten oder anderen Nationalitäten zusammen sind. Die Geflüchteten fangen hier bei Null an. Wir wissen, wie schwierig es oft schon für Schüler(innen) mit qualifizierendem Abschluss der Mittelschule ist, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Die Menschen, die zu uns kommen, waren manchmal nur wenige Jahre in der Schule und beherrschen unsere Sprache nicht- ganz klar also, wie fast aussichtslos es zunächst einmal ist, dass so jemand eine Chance auf unserem Arbeitsmarkt bekommt. Und so berechtigt auch die Ängste der Deutschen, die ebenfalls keine Qualifikation mitbringen. Damit Integration gelingen kann, ist es wichtig, dass wir alle, die dahinter stehen, Menschen in einer Notlage bei uns aufzunehmen, auch mithelfen. Unsere wichtigste Qualifikation ist unsere Sprache. Wir müssen nicht reich sein, nicht körperlich fit und nicht studiert. Wir haben so viel zu geben und können auf diese Weise aller Stimmungsmache und Propaganda rechter Parteien am Besten Einhalt bieten. Traut Euch. Es gibt viel Unterstützung sozialer Einrichtungen, die Eure Fragen beantworten und auch nach dem ersten Kennenlernen für Euch da sind.

https://www.iska-nuernberg.de/zab/be-stellen.html

Wegschauer

Ehrlich gesagt, finde ich es wirklich beschämend, wie feige wir Deutsche uns gerade in der Flüchtlingspolitik verhalten. Angela Merkel hat dem Druck der Bevölkerung und aus den eigenen Reihen nachgegeben und das Problem sozusagen outgesourct. Mit fragwürdigen Mitteln und Partnern. Und wir machen mit. Wir schauen weg, was uns ja jetzt weit besser gelingt, wo sich das akute Elend der Flüchtlinge mehr als 1000 Kilometer entfernt abspielt. Eine bequeme Sicherheitszone für die Bewahrung unseres Wohlstandes. Und wir alle wissen, dass dort Unrecht geschieht. Ich bin jedes Mal froh, wenn zumindest die Nachrichten noch von solchem berichten und Journalisten und Hilfsorganisationen nicht wegsehen. Ich habe ebenso wenige Patentrezepte für den Umgang mit den Flüchtlingsströmen wie die meisten Politiker, aber ich denke, dass ein ganz grundsätzliches Umdenken stattfinden muss. Wenn wir weiterhin nicht bereit sein werden, den Kuchen des Wohlstands gerechter aufzuteilen, werden wir zwangsläufig in die Situation kommen, Unrecht zu tun und Gewalt auszuüben und all unsere Werte zu verraten. In einer Welt, die Informationen überall zugänglich macht, wird sich niemand mehr damit zufrieden geben, in Armut zu leben, während er den anderen beim Schlemmen im totalen Überfluss zusehen soll. Die Politik müsste anfangen, benachteiligte Länder Ernst zu nehmen, anstatt sie mit halbherzigen Hilfsprogrammen abzuspeisen. Es wäre an der Zeit, faire Handelsabkommen abzuschließen und heimischen Märkten nicht das Geschäft durch Billigimporte zu zerstören. Die Politik dürfte nicht mehr aus wirtschaftlichen Interessen entscheiden, in welchen Ländern sie interveniert oder eben auch nicht und Lasten müssten gerecht auf die Länder verteilt werden. Aber solange unsere Wirtschaftssysteme auf Wachstum basieren und sich jeder und jedes Land selbst am nächsten ist, wird all das nicht passieren. Statt etwas an den Verhältnissen zu verändern, wird man weiterhin versuchen, sich Probleme bestmöglich vom Leib zu halten. Und das zu einem hohen Preis – dem der Menschlichkeit.

Messages of Refugees

An jedem ersten Freitag im Monat gibt es jetzt auf Bayern 2 um 22.30h die „Messages of refugees“. Mit Unterstützung des Teams vom Zündfunk gestalten Flüchtlinge ihre eigene 30-minütige Radiosendung und erzählen von ihren Erfahrungen auf der Flucht und ihrem Leben in Deutschland, aber auch von dem Leben, das sie zurück gelassen haben und den Gründen und Ursachen, die sie dazu bewegt haben. Die Sendung gibt den Flüchtlingen eine Stimme und  so wird aus dem „Flüchtling“ ein Mensch mit seiner ganz eigenen Geschichte. Wer eine Sendung verpasst (oder Bayern2 nicht empfangen kann), kann sie jederzeit nachhören auf http://www.messages-of-refugees.de.

6. Mai, 3. Juni, 1. Juli, 5. August und 2. September 2016

 

messages-of-refugees vom 01.04.2016

Welcome refugees

Ich war letztes Wochenende seit vielen Jahren das erste Mal wieder auf einer Kundgebung gegen Rechts, weil ich denke, dass es gerade sehr wichtig ist, ein deutliches Zeichen gegen die Stimmungsmache im Land gegen Flüchtlinge zu setzen. Mir fehlt seit jeher jede nationalistische Neigung, denn ich habe es nie als mein Verdienst oder das meiner Eltern angesehen, dass ich in Deutschland geboren wurde. Für mich ist das reiner Zufall und wäre ich in Eritrea, dem Kosovo oder Syrien zur Welt gekommen, wäre mein bisheriges Leben wohl ganz anders verlaufen. Somit kann ich Aussagen nicht nachvollziehen, die Flüchtlinge nähmen uns unser Land weg. Unseres? Mit welcher Legitimation geht es uns gut und genießen wir Wohlstand, während es in anderen Teilen der Welt zu wenig zu essen, kein sauberes Trinkwasser oder keine Arbeit gibt? Es ist schlichtweg ungerecht. Muss man sein Schicksal einfach hinnehmen, wenn man in einem weniger begünstigten Land lebt oder darf man sich Hoffnung auf ein besseres Leben machen, indem man sein Land verlässt? Ohne Hoffnung kein Leben, tut mir leid, ich verstehe auch die Motivation der ungebetenen und schnell wieder abzuschiebenden Wirtschaftsflüchtlinge. Aber es geht ja vor allem um die vielen Menschen, die bleiben dürfen. Und da gilt es gerade unseren Wohlstand zu verteidigen. Unglaublich, mit welcher Ignoranz gegen das Elend einige unserer europäischen Nachbarn Augen und Grenzen schließen, als ginge sie das alles nichts an. Und Angela Merkel steht als beinahe unzurechnungsfähig da und hat sich selbst ins Abseits katapultiert, weil sie Menschlichkeit gezeigt hat. Aber war jemals abzusehen, dass sie mit dieser Eigenschaft so allein auf weiter Flur stehen würde? Man stelle sich das Szenario vor, wenn alle ihre Grenzen schlössen. Könnten wir damit leben, die Menschen sich selbst und ihrem Schicksal zu überlassen? Wäre es besser, wenn Kriegsflüchtlinge in den Krisengebieten blieben und sich abschlachten ließen, weil das Problem dann nicht vor unserer Haustür läge? Flüchtlinge direkt im Mittelmeer ertrinken zu lassen, ist ja zum Glück noch nicht salonfähig. Ich finde, es gibt keine Alternative zum Helfen. Und nur weil viele Probleme und Fragen auftauchen, die noch gelöst werden müssen, heißt es nicht, dass das Recht auf Asyl und dessen Umsetzung schlecht sind. Wir sollten die Sorgen der Menschen offen diskutieren, uns aber nicht von Panikmache und Hetze anstecken lassen. Also von mir bekommt rechtspopulistische Stimmungsmache in jedem Fall die Rote Karte.

Auf der Insel der Glückseligen

Momentan scheint es mir reichlich banal, angesichts der äußerst brisanten Weltlage, aus meinem persönlichen deutschen Wohlstandsnähkästchen zu plaudern. Schließlich hat die Welt gerade ganz andere Sorgen- Kriege, Flüchtlingsströme, der Terror des Islamischen Staates und Ebola halten die Welt in Atem. Zumindest die Welt der betroffenen oder unmittelbar benachbarten Staaten.

„Ebola ist in Europa angekommen“- ließen die große Tageszeitungen vor einiger Zeit verlauten. Ja, ist denn Ebola in Europa schlimmer als in Afrika? Weil sie in Afrika ja sowieso an Unterernährung oder Aids sterben? Eine Seuche mehr- was geht es uns an. Aber jetzt bei uns, das macht dann doch etwas nervös. Ich gebe zu, ich schaue manchmal einfach einige Tage keine Nachrichten mehr- manchmal, wenn ich die Bilder nicht mehr sehen will, die so bar jeder Hoffnung sind. Da gehen Menschen für ihre politischen Überzeugungen, für ihre Hoffnung auf Veränderung im arabischen Frühling in den Tod. Aber nichts scheint sich so einfach zum Guten zu wenden. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen bezahlen ihr Engagement mit dem Leben. Und wer sind die freiwilligen Helfer, die sich ohne Angst um ihr eigenes Leben für andere einsetzen? Würde ich das tun? Me, myself and I? Und dann quatscht Herr Gabriel in den Nachrichten vom schwächeren Wirtschaftswachstum in Deutschland wegen der schlechten Weltkonjunktur und ich möchte schreien, dass die Politik so tut, als könnten wir immer so weiter machen mit unserem Wirtschaftsmodell.

Wir schauen so lange weg, bis wir nicht mehr können. Und ich sehe es jetzt, das Festzelt auf dem Sportplatz einer Schule. Flüchtlinge sind dort untergebracht, ebenso in einem ehemaligen Möbelhaus. Gemeinden müssen binnen weniger Tage leerstehende Gewerberäume und Schulen zu Flüchtlingscamps umfunktionieren- getragen meist von freiwilligen Helfern. Ich merke, dass ich da genauer hinschauen und helfen möchte. Und dass dieses Weihnachten, dessen Vermarktung sich wieder in allen Geschäften breit gemacht hat und zum massenhaften Konsum aufruft, anders sein muss als die Weihnachten davor. Wir brauchen nichts. Und wir haben viel zu geben.