Buchtipp: „Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit“ von Gianni Jovanovic mit Oyindamola Alashe

Und hier ist der zweite Tipp. Und dieses Buch ist etwas ganz anderes…

Gianni Jovanovic hätte allen Grund gehabt, ein verbitterter, gebrochener, richtig fieser Typ zu werden, bei all dem, was ihm in seinem Leben widerfahren ist. Er hat immer wieder Diskriminierung erfahren, rassistische Beleidigungen und Ausgrenzung, weil er zu einer traditionellen Roma-Familie gehört. Er wurde auf eine Sonderschule geschickt, wie das bei Kindern aus Roma- und Sinti- Familien leider nicht unüblich ist. Und dann stellt er auch noch fest, dass er schwul ist, während sein Leben in vorgezeichneten Bahnen verläuft: Hochzeit mit vierzehn, zweifacher Vater mit siebzehn.

Aber anstatt an seinem Schicksal zu zerbrechen, entwickelt sich Gianni Jovanovic zu einem Aktivisten. Der Wunsch, seinen Kindern einen in jeder Hinsicht anderen Weg aufzuzeigen, erweckt den Kämpfer in ihm. Er setzt sich mit der Geschichte der Rom*nja und Sinti*zze auseinander, um zu verstehen, um diskutieren zu können und aufzuklären. Es gelingt ihm, nicht nur das Abitur zu machen, sondern auch ein Studium zu absolvieren. Weil er Vorurteile widerlegen will und zeigen, dass dieser Weg auch für Rom*nja und Sinti*zze möglich ist. Er möchte ein Vorbild sein und gibt Workshops an Schulen, um über strukturellen Rassismus aufzuklären. Er versucht, Schüler*innen zu ermutigen und Lehrkräften aufzuzeigen, welch wichtige Rolle sie beim Verlauf einer Schullaufbahn spielen können. Und er setzt sich für die LBGTQ+ – Community ein, damit jeder sein darf, wie er ist.

Übrigens nimmt Gianni Jovanovic kein Blatt vor den Mund, er ist offen und seine Worte mitunter deftig, nur so zur Vorwarnung. Seine Geschichte hat mich tief beeindruckt, seine Herzlichkeit, seine Bereitschaft zur Vergebung, sein Verständnis und sein Appell für Toleranz und Vielfalt. Einfach bewundernswert!

„Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit“ von Gianni Jovanovic mit Oyindamola Alashe, Verlag: Blumenbar

ISBN 978-3-351-05100-6

Dr.Sommer war gestern

Obwohl wir seit geraumer Zeit Netflix abonniert haben, gehöre ich nicht zu den typischen Serienkonsumenten, aber „Sex education“ muss ich Euch wärmstens empfehlen. Es ist die erste Netflix Serie, die mich in ihren Bann gezogen hat, nachdem sie mir, sowohl von einer Mutter, als auch von einem Spiegelartikel, als umwerfendes Aufklärungsmaterial empfohlen wurde.

Bravo war gestern, heute gibt es den jungfräulichen und ziemlich verklemmten Helden Otis und seine Mutter, die Sextherapeutin Dr. Jean Milburn, einfach hinreißend gespielt von Gillian Anderson (bekannt aus Akte X), die ihr Zuhause mit Dildos und Vaginas in jeder Form dekoriert hat und nichts Ungewöhnliches daran findet, sich beim Frühstück danach zu erkundigen, ob es bei Otis mit dem Onanieren geklappt hat. Ihre Offenheit und die wechselnden Sexualpartner bringen Otis regelmäßig in die Bredouille. Gehör für seine Probleme findet Otis bei seinem besten Freund Eric, der Männer liebt und ein Faible für Make up und schrille Klamotten hat. Überhaupt ist der Cast wunderbar getroffen, die Figuren liebevoll überzeichnet. Es ist die Zeit der Entdeckung der Sexualität, an allen Ecken und Enden schwängern Hormone die Luft. Durch einen Zufall und weil er dadurch Zeit mit seinem Schwarm Maeve verbringen kann, wird Otis zum Sexualtherapeuten seiner Schule. Und dabei werden wenige Themen ausgelassen. Vom Ejakulationsproblem über Stellungsprobleme gleichgeschlechtlicher Liebe, bis hin vom Versenden des Fotos einer Vagina im Schulchat mit erpresserischen Motiven, Otis findet durch sein Zuhören und seine einfühlsame Art meistens eine Lösung für die Probleme seiner Mitschüler*innen. Und das Wichtigste, dabei geht es meistens um Zwischenmenschliches und Gefühle, die Message für die Teenager ist also klar. Otis ist jedenfalls die perfekte Identifikationsfigur für Jugendliche, die nicht im Mittelpunkt stehen, sondern eher schüchtern sind und noch keine Erfahrungen sammeln konnten. Aber auch im vermeintlich perfekten Schulsprecher, der insgeheim gegen Angstzustände kämpft, oder im Sohn des Direktors, der gegen seine Rolle rebelliert, finden sich bestimmt viele Jugendliche wieder.

„Sex education“ erspart das Aufklärungsgespräch, das man in dieser Form sowieso nie geführt hätte und für das es altersgemäß ( ab +- 14 Jahren) auch schon zu spät ist. Über Petting, Fellatio und Coitus Interruptus hatte ich damals auch nur in der Bravo gelesen und nicht von meinen Eltern gehört, es ist also wohl zu verzeihen, wenn wir das „Reden“ anderen überlassen. Für uns Erwachsene macht es jedenfalls einfach Laune, sich nochmal in die Zeit zurückzuversetzen, als es nur „um das Eine“ ging. Wie das Ganze weitergeht, weiß ich noch nicht, ich bin erst bei Staffel 1, aber ich freue mich definitiv schon auf die nächste Folge.

Vorbereitung auf die Pubertät

Wie ihr ja mitbekommen habt, sind meine Kinder nicht mehr so ganz klein. Es geht in die Phase, vor der es wohl den meisten Eltern graut. Die Pubertät. Sie soll mit jedem weiteren Kind einfacher werden und ein Vater von vier Kindern erzählte mir einmal, sein Kleinster habe sich fürchterlich darüber aufgeregt, dass er seinen Vater durch nichts mehr provozieren konnte. Tja, beim Ersten wird es wohl anders sein. Wie so oft sind für mich die besten Ratgeber andere Eltern, entweder weil sie die anstehende Entwicklungsphase des Kindes bereits durchlebt haben oder aber einfach weil sie einen ganz anderen Blick auf die Welt im Allgemeinen und ihre Kinder im Besonderen haben. So fühle ich mich gerade ganz gut für die Pubertät gewappnet, denn ein paar gute Tipps habe ich bereits mitbekommen.

 

Eine Sportart finden

Eine Mutter riet mir dringend dazu, vor der Pubertät eine feste Sportart für meine Kinder zu finden, denn wenn erst einmal die Null-Bock-Phase beginne, habe man keine Chance mehr, so etwas zu implementieren. Diese Worte hatte ich im Hinterkopf und habe immer mal wieder zu einem Probetraining angestupst und bin heute mehr als glücklich, dass wir dieses Ziel erreicht haben. Denn jedes Training und jeder Wettkampf stellen jetzt eine Alternative zum Smartphone dar und zwar ohne Diskussion und auch noch mit Leidenschaft. Statt Coins und Likes gibt es Muskeln, Schweiß, und Peergroup und das so stark benötigte Dopamin ohne Nebenwirkungen. Und da ist Sport die weitaus gesündere Alternative zu Rauschmittelkonsum oder dem Zocken, die ebenfalls durch die Dopaminausschüttung in diesem Alter so attraktiv werden. Außerdem rät jeder Psychologe bei depressiven Verstimmungen zur Bewegung. Sport macht also im weitesten Sinne glücklich und stellt einen wichtigen Ausgleich dar.

 

Nicht mit dem Musikinstrument aufhören

Für absolute Bewegungsmuffel oder Kinder, die körperlich eingeschränkt sind, gibt es natürlich Alternativen. Auch Musik kann glücklich machen. Eine Mutter berichtete, dass ihr Sohn sich während der heißen Phase der Pubertät quasi wie eine Raupe in einen Kokon einspann und kaum noch in Kontakt mit seiner Familie trat. Was er allerdings in dieser Zeit exzessiv tat, war, Klavier zu spielen, obwohl er einige Jahre vorher aufhören wollte und keinen Spaß daran hatte. Ich kenne das selbst aus meiner Pubertät. Ich kam nach Hause, hämmerte meine Wut in die Tasten und konnte befreit wieder aufstehen, wenn es vorbei war. Sehnsucht, Melancholie, Enttäuschung, die gesamte Klaviatur der Gefühle. Es lohnt sich also, als Eltern manchmal hartnäckig zu sein und sein Kind zum Durchhalten zu ermutigen.

 

Das Kind vorbereiten

Ein Vater erzählte mir, dass er seinem Kind vor der Pubertät in einem Vater-Sohn-Gespräch genau geschildert hatte, was mit ihm und ihrer Beziehung passieren werde. Dieses konnte natürlich zu dieser Zeit kaum glauben, dass es seinen Vater blöd finden und es total unvernünftige Sachen tun werde und was sich sonst noch alles verändern werde. Jetzt ist der Junge vierzehn und wann immer es zu einer der vorausgesagten Situationen kommt, können sich die Beiden mit einem Schmunzeln auf ihr Gespräch beziehen. Der Papa ist zwar dann immer noch doof, aber das ist dann auch irgendwie okay so. Das fand ich auch eine schöne Sache.

Soweit die Theorie. Das Leben wird dann sowieso wieder ganz anders spielen, aber das macht es ja auch so spannend. Schreibt mir gerne Eure Erfahrungen. Und ich bin mir sicher, eine Fortsetzung folgt.

Aufklärung für Anfänger Teil 2

Das Schöne daran, Gedanken in die Welt zu streuen, ist, andere Gedanken wieder zurück zu bekommen. So auch in diesem Fall geschehen. Jetzt weiß ich, dass das mit der Aufklärung total einfach ist, denn es gibt die Sendung „Du bist kein Werwolf“, die jeden Sonntag um 20.10h und 20.35h auf KiKa läuft. Damit das Ganze nicht mit dem Tatort kollidiert, gibt es natürlich alle Folgen und Einzelteile auch online. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen. Christine Henning und Ralph Caspers, wohl bekannt aus der „Sendung mit der Maus“ plaudern locker flockig über Vorhaut, Samenerguss und Schamlippen ohne auch nur ein bisschen rot zu werden. Herrlich. Es geht natürlich nicht nur um Anatomie, sondern auch um Beziehungen, Selbstversuche und andere Themen, die Teenager bewegen. Ob die Kids so eine Folge allerdings mit ihren Eltern zusammen anschauen wollen, wage ich zu bezweifeln.

Mehr infos unter: http://www.wdr.de/tv/werwolf/index.php5

Aufklärung für Anfänger

Auf einmal ist es soweit. Es ist an der Zeit, mein Kind aufzuklären. Etwas, von dem ich mir nie hätte vorstellen können, dass es mir widerfährt, ist eingetreten: das ganze Thema ist mir megapeinlich.„Also, liebes Kind, Du wirst jetzt demnächst Deinen ersten Samenerguss haben und das ist total okay so.“ Hä? Als mein Vater mich mit dreizehn Jahren zu sich aufs Sofa zitierte, um mich aufzuklären, sagte ich nur: „Du, lass mal, ich weiß schon Bescheid, das ist bisschen spät.“ Meine Freundinnen, Bravo und ich hatten ganze Arbeit geleistet. Also – früher anfangen. Aber mit einem 11jährigen, der sich schon bei dem Wort Mädchen errötend unter der Bettdecke versteckt, über Geschlechtsverkehr zu reden, ist irgendwie absurd. Naja, ich werde wohl auf jede Gelegenheit lauern, um ganz nebenbei, natürlich und unauffällig die ein oder andere Information einzustreuen, vielleicht beim Pflanzen von Blümchen oder dem Beobachten von Bienchen und vielleicht mal so gucken, was es für Sachbücher gibt. Oder ihm ein paar Bravos hinlegen. Liebes Dr. Sommer-Team, das hat doch schon immer funktioniert irgendwie…..