Covid-19 und die Sache mit der Toleranz

Im Gegensatz zu vielen Menschen, die Corona nicht mehr als ernstzunehmende Gefahr ansehen und ihr Leben wieder ziemlich frei genießen, beschäftigt mich dieses Virus jeden Tag aufs Neue. Jedes Mal dann nämlich, wenn ich wieder in mich hineinhöre, um zu überprüfen, dass da auch wirklich nichts kratzt oder läuft und ich gesund bin. Ich muss nämlich jeden Arbeitstag wieder die Entscheidung treffen, ob ich es verantworten kann, anderen Menschen sehr nahe zu kommen. Ich bin hauptberuflich selbständige Visagistin und mit dem Schutz ist es da so eine Sache. Zumindest die Person, die ich schminke, trägt keinen Mundschutz. Natürlich versuche ich alles zu tun, um die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten. Ich sitze bevorzugt am geöffneten Fenster, desinfiziere und wasche mir die Hände ständig, reinige alle Arbeitsmaterialen penibel. Was das hilft, wenn man sich den ganzen Tag wiederholt so nahe ist, sei dahingestellt. Wenn ich arbeite, bin ich immer wieder mit unterschiedlichen Teams zusammen, das heißt, der Personenkreis, mit dem ich beruflich zusammentreffe, ist relativ groß.

Warum ich das alles erzähle? All das sind die Gründe, warum ich im Privatleben immer noch größere Menschenmengen und Innenräume vermeide, weil ich das Risiko einer Infektion, aber auch nur den möglichen Kontakt zu einer infizierten Person, so gering wie möglich halten möchte. Denn Quarantäne bedeutet für mich auch, dass ich kein Geld mehr verdienen kann. Ich kann auf kein Homeoffice ausweichen. Eine Bekannte gab mir den scheinbar wohl gemeinten Tipp, ich müsse mich ja bei einem Verdacht nicht testen lassen. Im Ernst? Das ist für mich absolut unverantwortlich, wissentlich das Risiko einzugehen, das Virus in ein Studio, eine Firma oder gar ein Krankenhaus einzuschleppen, nur um weiter arbeiten gehen zu können. Mit dem Risiko, dass jemand wegen meinem Fehlverhalten sterben könnte.

Es gibt ja viel Wissen und Unwissen, Theorien und Verschwörungstheorien rund um Corona und auch ich habe keine Ahnung, was es wirklich mit diesem Virus auf sich hat. Es scheint aber, nach allem, was man von bislang aufgetretenen Ausbrüchen weiß, etwas an der Verbreitung durch Aerosole dran zu sein. Verbreitet wurde Corona beim Feiern in Innenräumen, bei Gottesdiensten und Chorgesang. Deshalb treffe ich mich mit Freunden und Familie noch immer am liebsten im Freien, im Augenblick geht das ja wunderbar, wie ich es im Herbst und Winter handhaben werde, muss ich dann neu entscheiden, wenn es soweit ist.

Jeder darf selbst entscheiden, wie er mit den Verhaltensmaßnahmen umgehen möchte und ich habe wirklich Verständnis dafür, wenn Arbeitnehmer, die mit den immer gleichen Kollegen auf Abstand in einem Büro sitzen oder teilweise sogar noch immer im Homeoffice arbeiten, diese großzügig auslegen und die Zeit, in der es wenig bekannte Neuinfektionen gibt, dazu nutzen, sich mit Freuden zu treffen und auch drinnen zu feiern und das Leben zu genießen. Ich würde mir aber auch wünschen, dass ich mich nicht jedes Mal erklären muss und mir Unverständnis begegnet, dass ich mich nicht locker mache. Das kann ich leider nicht, denn bei allen Reihentests, die gemacht werden, sei es bei Sportlern, in Altenheimen oder Kindergärten, gibt es leider immer wieder Infizierte, die keinerlei Symptome hatten. Und solange das so ist, kann ich nicht so tun, als würde mich das alles nichts angehen. Und dafür wünsche ich mir einfach mehr Toleranz und Offenheit.

Schatzsuche – das perfekte, coronakompatible Spiel für zwei Familien

Am Sonntag verabredeten wir uns mit Freunden zur Schatzsuche. An einem gemeinsamen Treffpunkt bekam jede Familie Ausdrucke eines in mehrere Etappen unterteilten Rundwanderweges, auf denen jede die Schätze einzeichnete, die sie dann auf dem Hinweg versteckte. Eine Familie ging nach links los, die andere nach rechts. In der Mitte der Strecke trafen wir uns (zwangsläufig, da es ja ein Rundwanderweg war) und übergaben unsere Schatzkarten (natürlich mit Sicherheitsabstand und desinfiziert!). Auf der zweite Hälfte der Strecke konnten so beide Familien Schätze suchen.

Dieser Ausflug war ein absolutes Highlight der vergangenen Wochen – zum einen, weil man sich zumindest mal kurz aus der Ferne sah, zum anderen, weil sowohl das Verstecken, als auch das Suchen so viel Spaß machte, dass es keinerlei Gemotze wegen der langen Wegstrecke gab. An diesem Abend fielen wir alle geschafft, aber zufrieden ins Bett. Eine gerade eher seltener Zustand.

Dringendst zur Nachahmung empfohlen!

 

Die Anderen

die_anderen_sternKennt ihr sie auch, die Anderen, diese Lichtwesen, bei denen es zu Hause immer lustig und harmonisch zugeht, die immer gut gelaunt und verständnisvoll sind und noch dazu total gut kochen können? Das Interessante daran ist, dass das, was mir meine Kinder von den Familien ihrer Freunde berichten, wiederum die Freunde meiner Kinder ihren Eltern über uns erzählen. Wie kann das sein? Ich, die ich die am wenigsten Nette aller Mütter bin, die Strengste und Unnachgiebigste, schaffe anderen Kinder eine heimelige Atmosphäre am Herd? Unvorstellbar. Oder wie meine Freundin es bei ihrem letzten Besuch formulierte: Ihr seid eine richtige Bilderbuchfamilie. Ha, wir sind sicherlich viel, aber bestimmt keine Bilderbuchfamilie. Naja, vielleicht doch, beim Bilderbuch bleibt ja vieles unausgesprochen, es geht eben vor allem um schöne Bilder. In Bilderbüchern finden sich jedenfalls keine Essays darüber, wie sich Eltern beispielsweise in „Alt-ehe-distanz“ üben ( ein herrliches Zitat jener Freundin) oder wie die Kinder cholerische Anfälle bekommen, weil sie im Unterzucker sind oder ob die Mutter rummotzt, weil mal wieder jeder seine Sachen hat liegen lassen oder sie einfach völlig am Limit ist. Diese unschönen Situationen des Alltags finden allerdings eher nicht statt, wenn Freunde zu Besuch sind. Man nimmt sich Zeit, räumt vorher auf, backt vielleicht einen Kuchen und sitzt dann einfach ganz entspannt zusammen, weil ja alles erledigt ist und man einfach nur mal schnacken kann. Die Kinder spielen ausgiebig und zufrieden und müssen keine Hausaufgaben machen. Man kann sich von seiner besten Seite zeigen und auch der vielleicht sonst eher stille Gatte plaudert ganz angeregt und man erfährt Dinge, von denen man bis lang nicht das Geringste ahnte. (Ach, das ist übrigens ein Tipp für langjährige Ehen, wie ich letztens gelesen habe. Sich öfter mal mit anderen Paaren zum Ausgehen verabreden. Soll sehr befruchtend sein, wie auch immer das gemeint war.) Also, zurück zur Sache. Wenn eure Kinder das nächste Mal von den Anderen schwärmen, klopft euch auf die Schulter und freut Euch im Stillen, denn ihr wisst Bescheid. Denn auch ihr seid die Anderen. Herzlichen Glückwunsch!

 

Freundschaft mitten im Leben

Die meisten von uns durften erleben, wie wunderbar einfach Freundschaft sein kann, zu Schulzeiten, während der Ausbildung oder des Studiums, wenn wir fast täglich viele Stunden gemeinsam erlebten, dieselben Interessen hatten und auch noch die Nächte zusammen verbrachten. Wir haben in den wenigen Stunden, die wir uns nicht gesehen haben, oft noch telefoniert und waren zu jeder Tages- und Nachtzeit füreinander erreichbar. Freundschaft in der Mitte des Lebens ist dagegen eine ziemlich mühsame Angelegenheit. Spontane Impulse, eine Freundin anzurufen, verpuffen meist ganz schnell wieder, fallen mir im selben Moment doch schlagkräftige Argumente ein, es nicht zu tun, sei es, weil sie sicherlich gerade arbeitet, am Nachmittag die Kinder aus dem Kindergarten abholt, mit Hausaufgabenbetreuung beschäftigt ist, am Abendessen kochen ist oder das Kind ins Bett bringt. Bis dann abends die Wohnung wieder in Normalzustand gebracht und der Abwasch erledigt ist, ist auch bei mir die Luft raus, um das loszuwerden, was mir Stunden vorher auf dem Herzen gelegen ist. Außer ich habe natürlich ein Tage oder Wochen vorher verabredetes Skypetelefonat mit einer Freundin im Ausland, bei der nicht Kinder für das komplizierte Vorgehen verantwortlich sind, sondern ein unberechenbarer Dienstplan. Egal, was nun die Beziehung verkompliziert, Freundschaft in der Mitte des Lebens verlangt viel Toleranz und Durchhaltevermögen, vor allem zwischen Kinderlosen und Freunden mit Kindern. Ohne ein Mindestmaß an Interesse und Einfühlungsvermögen für die Sorgen und Belange des/der anderen, auch wenn deren momentane Lebensform vielleicht rein gar nichts mit der eigenen zu tun hat, geht gar nichts. Ich bewundere Freunde, die es schaffen, jedes Jahr einen gemeinsamen Urlaub zu verbringen, ganz unabhängig von der jeweiligen Lebenssituation. Feste Verabredungen sind sicherlich eine gute Möglichkeit, sich nicht aus den Augen zu verlieren, aber eben auch nur dann möglich, wenn es Beruf und Partner und das durchgetaktete Leben an sich zulassen. So ist eines der wenigen Dinge, auf die ich mich am Älterwerden freue, dass ich wieder mehr Zeit für meine Mädels haben werde, vorausgesetzt, wir dürfen diese Zeit quietschlebendig und bester Gesundheit erleben. Einfach wieder spontan sein können, ohne Rücksicht auf Kinder, darauf freue ich mich. Und bis dahin heißt es durchhalten und sich nicht aus den Augen verlieren.

Die Lebenserhalter

Ein Bekannter erzählte mir letztens, das schwerste am Schreiben seines Buches für die Habilitation sei es, kein Feedback zu bekommen. Er sitze jahrelang zu Hause, ohne dass jemand etwas von dem mitbekomme, was er tue- mit Ausnahme seiner Frau. Und ich konnte ihn gut verstehen. Ich zehre auch sehr davon, wenn mir jemand Rückmeldung auf einen Blogbeitrag gibt, sei es im persönlichen Gespräch oder durch ein like, einen neuen follower oder einen Kommentar. In dem Moment weiß ich, hey, da kommt was an von dem, was ich mir denke. Dann weiß ich, es macht Sinn. Ich habe eine Freundin, die mir nach jedem Treffen ein kurze Mail schreibt, in der sie sich für die gute gemeinsame Zeit bedankt. Ich freue mich jedes Mal riesig. Und auch meine Schwester schickt oft eine SMS hinterher, wenn wir nach einem Besuch wieder auf der Autobahn sind. Da steht dann so was, wie es war schön mit Euch. Ich bin da leider nicht so gut drin. Und deshalb schicke ich jetzt mal ein Danke in die Welt, an all die aufmerksamen Menschen und Freunde, die mich am Leben erhalten!