Verkehrswende leicht gemacht

Wer meinem Blog schon längere Zeit folgt, weiß, dass ich keine bedingungslose Freundin des Digitalen bin. Um so mehr erstaunt es mich, wenn es dann eine Innovation gibt, die mein Leben wirklich bereichert und mich eines besseren belehrt in meiner Voreingenommenheit.

So erging es mir zuletzt, als ich mit der Kartenapp meines IPhones und den Öffentlichen in Berlin unterwegs war. Diese zeigt die günstigsten Verbindungen in Echtzeit beim Navigieren an, so dass jede Art von mühsamen Studieren von U-Bahn und Busplänen wegfällt. Hat eine Linie Verspätung und eine andere Verbindung ist günstiger, wird sie sofort angezeigt. Man muss sich schlichtweg überhaupt nicht mehr damit beschäftigen, sondern steigt einfach in die nächste Linie ein, die empfohlen wird. Funktioniert übrigens auch in kleinen Städten. Diese Einfachheit der Mobilität kann sicherlich genauso viel bewirken wie Einheitstickets zum Festpreis. Falls ihr es noch nicht kennt und euch die richtige App zur Verfügung steht, probiert es unbedingt aus. Eine neue Dimension des Reisens. Naja, und meine Begeisterung lässt mich sogar einen Moment lang das Datensammeln vergessen…

Buchtipp: „Zur See“ von Dörte Hansen

In Zeiten, in denen mutige Iranerinnen und Iraner, die für ihre Freiheit kämpfen, von den Machthabern getötet werden, in denen Putin danach trachtet, die Ukraine dem Erdboden gleich zu machen, und in denen unser Kanzler den Verkauf von Anteilen des Hamburger Hafens an China wieder aller Vernunft durchsetzt, möchte ich mich manchmal nur noch in Büchern vergraben. Nicht mal zuhause scheinen die „Guten“ zu siegen, wirklich frustrierend. Wie gut, dass mich liebe Menschen immer wieder mit Lesestoff versorgen, um meine Weltflucht zu ermöglichen. Eines der neuesten Bücher, die ich gelesen habe, ist „Zur See“ von Dörte Hansen, der Autorin, die mich bereits mit ihren Romanen „Mittagsstunde“ und „Altes Land“ durch die lebendigen Beschreibungen ihrer wunderbar knorrigen Charaktere begeistert hat. Ohne zu übertreiben, vermisste ich tatsächlich ihre Sprache, als ich vergangene Woche die wirklich gelungene Verfilmung von „Mittagsstunde“ mit Charly Hübner im Kino ansah. Klar, war ja auch ein Film und kein Hörspiel und er funktionierte aufgrund der großartigen Besetzung und der starken Bilder wirklich auch ohne.

Diesmal geht es also vom Land „Zur See“. Als ich die ersten Seiten las, war ich zunächst schwer irritiert. Hansens distanzierter, nüchterner Stil erinnerte mich fast an ein Sachbuch. Dieses Buch schien nichts mit ihren Vorgängerromanen gemein zu haben. Aber dann tauchten sie auf, nach und nach, ihre vom Leben gezeichneten Figuren, diesmal beheimatet auf einer Insel in der Nordsee. Auch, wenn sie keinen Namen nennt, erinnert vieles an Sylt, die Insel der Reichen und Schönen, die ich vor vielen Jahren ganz bodenständig kennenlernen durfte, an der Seite meines Mannes, der die langen Ferien seiner Kindheit dort auf dem Campingplatz zugebracht hatte. Aber natürlich gibt es sie, die vielen Superreichen, die nach und nach die Insulaner*innen vertreiben, weil sie die alten, reetgedeckten Häuser für Unsummen aufkaufen, um dort ihre Wochenenden zu verbringen. Krafttanken vom Alltag zum Preis, dass sich die Einheimischen das Leben auf der Insel kaum mehr leisten können.

Wie auch in ihren anderen Büchern beschäftigt sich Dörte Hansen mit den unaufhaltsamen Veränderungen der Lebensumstände der Menschen und damit, welche Auswirkungen sie haben. Im Zentrum ihrer Erzählung steht diesmal eine alteingesessene Familie, Nachfahren von Walfängern, so wie viele auf der Insel. Auch, wenn diese Zeiten längst vergangen sind, ist das Erbe überall spürbar. Und so ringen die Menschen mit den Traumata in ihrer DNA, übergestülpten Traditionen und unerfüllbaren Sehnsüchten. Sie suchen ihren Platz an Land, weil der ihre auf See abhandengekommen ist. Schicksale im Wandel der Zeit, vom Fischfang als Lebensgrundlage hin zum Tourismus, meist ungeliebt und zu einem hohen Preis, nämlich dem Verlust der eigenen Identität. Aber Dörte Hansen wäre nicht so eine gute Schriftstellerin, würde sie nur plumpe Klischees bedienen. So zeigt sich die sonst so schroffe Mutter und Frau eines Seemannes zuckersüß, wenn die ersten Feriengäste der Insel im freigeräumten Zimmer untergebracht werden, während sich ihre Kinder als Spielpartner zur Verfügung stellen müssen. Der Pfarrer dekoriert den Altar mit goldfarbenen Muscheln und inszeniert seine Predigt als kitschiges Schauspiel, um die Erwartungen der Touristen zu erfüllen. Aber eben nicht nur. Es gibt auch einen Teil in diesen Menschen, der nicht gespielt ist. Und der ehrlicher ist als ihre vermeintliche Bestimmung, die sich nur noch im Walfänger Museum bestaunen lässt.

Und so entwickelt sich „Zur See“ bald zu einem raffiniert gesponnenen Roman, in dem die Episoden zusammenlaufen, die Menschen in Verbindung treten, gefangen in einem großen Netz, und mit einem Mal mutet nichts mehr sachlich an, sondern zieht in seinen Bann. Dörte Hansen at ist best.

Definitiv ein Buch für Fans norddeutscher Inseln und Liebhaber*innen von Seefahrt und Seemännern!

Dörte Hansen „Zur See“, PENGUIN Verlag, ISBN 978-3-328-60222-4

#boycottQatar2022

Es gibt wahrlich Wichtigeres auf der Welt als Fußball. Die Proteste im Iran beispielsweise oder den Ukrainekrieg. Und doch hängt ja immer alles mit allem zusammen, ein Umstand, der richtiges Handeln und politische Entscheidungen im Allgemeinen so ungemein schwierig macht. Und irgendwie passt die WM in Katar gerade nur zu gut zur Politik unserer Bundesregierung.

Ich stolperte vergangene Woche in den Nürnberger Nachrichten über einen Artikel, dass laut Amnesty International etwa 15000 Arbeiter bei dem Bau der Sportstätten und dazugehörigen Gebäude für die Fußballweltmeisterschaft in Katar ums Leben gekommen seien. 15000! Für ein Sportfest. Das ausnahmsweise im November stattfindet, weil die Hitze sonst gar nicht auszuhalten wäre, in heruntergekühlten Stadien, passend zur Energiekrise.

Aber die Katarer haben ja Geld und Gas genug, um FIFA wie Wirtschaftsminister gleichermaßen zu beeindrucken. Dass sich Habeck deshalb vor geraumer Zeit dazu veranlasst sah, vor dem katarischen Energieminister in die Knie zu gehen, weil er die irrwitzige Idee zu haben schien, Energiegeschäfte mit Katar seien moralisch irgendwie vertretbarer als Gaslieferungen aus Russland, einfach unglaublich. Wie war das mit Pest und Cholera? Frauenrechte? Menschenrechte? Ach was. Binnen weniger Wochen nach Amtsantritt scheint Habeck all seine Überzeugungen begraben zu haben, natürlich mit besten Absichten, schließlich muss er die deutsche Wirtschaft retten.

Ja, die Wirtschaft, und dazu gehört eben auch die FIFA, gibt den Ton an. Und die verdient natürlich gerne Geld, weshalb wir uns noch immer ans Wirtschaftswachstum klammern als wäre es das Allheilmittel, die Garantie für den Erhalt unseres Wohlstands. Aber wessen Wohlstand erhält es? Und wie soll das eigentlich funktionieren mit dem ständigen Wachstum? Was ist mit dem Earth Overshoot Day, jenem Tag, der daran erinnert, wann die Welt die Ressourcen, die ihr für ein Jahr zur Verfügung stehen, bereits verbraucht hat und der bereits im Juli erreicht war? Bei der Vergabe 2010 war es natürlich noch nicht so populär, grün zu denken. Sonst hätte man die WM vielleicht an einem Ort ausgetragen, an dem bereits Spielstätten weitestgehend vorhanden gewesen wären und die klimatischen Verhältnisse besser gewesen wären. Andererseits wusste man ja auch von den Problemen mit den Menschenrechten, von Diskriminierung, politischer Verfolgung und unhaltbaren Arbeitsbedingungen. Wie naiv von mir. Ich jedenfalls bekomme das nicht zusammen mit dem steten Wachstum und dem Retten unseres Planeten. Scheint gerade alles nicht mehr so wichtig zu sein.

Ich wünschte mir jedenfalls sehr, dass ein Herr Habeck oder Herr Scholz aussprechen würde, dass die Energiekrise zwar Scheiße ist, wir aber sowieso nicht mehr so weiter machen können wie bisher, anstatt kniezufallen und auch noch Saudi-Arabien Waffenlieferungen zu genehmigen, damit sie uns, wenn wir nur nett genug sind, mit Energie versorgen. Das ist doch, gelinde gesagt, zum Kotzen. Egal, woher die Energie kommt, wir verbrauchen zu viel, weil wir zu viel produzieren und konsumieren. Ich weiß, dass man in einer globalisierten Welt nicht einfach so aussteigen kann. Aber es bedürfte doch wenigstens Visionen für eine langfristige Umgestaltung der Wirtschaft. Wir sind am Ende einer Sackgasse. Jetzt braucht es gute Ideen, wie es anders gehen kann, anstatt die eigenen Werte zu verraten und zu versuchen, den Status Quo um jeden Preis zu wahren. Da hatte ich an die Bundesregierung zugegebenermaßen schon eine andere Erwartungshaltung als an die FIFA.

Wenn es um die eigenen Interessen geht, scheint jedenfalls so ziemlich alles egal zu sein, ob beim Fußball oder in der Politik. Wir können nur zeigen, dass wir das nicht wollen. Im Fall der FIFA, indem wir den Verband dort treffen, wo es ihm wehtut. Beim Geld verdienen. Auch wenn das meiste diesmal vermutlich schon im Vorfeld durch Lizenzen und Übertragungsrechte verdient wurde, müssen wir diese WM boykottieren, damit es nicht noch einmal zu solch einer Vergabe kommt. Wir haben dann eine Stimme, wenn wir viele sind. Bis jetzt ist die Anzahl der Protestaufrufe noch sehr überschaubar, aber es beteiligen sich viele Fußballfanclubs und deren Mitglieder schauen bekanntlich besonders gern Fußball. Ich werde jedenfalls verzichten, auch wenn ich sonst immer mit Leidenschaft dabei bin. Passt doch irgendwie zu diesem Winter, in dem wir uns gerne den Arsch abfrieren, um Putins Krieg nicht zu finanzieren.

Ach, und Herr Habeck, wären Sie mal lieber Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft geworden. Sie haben echt einen Scheißjob gerade.

Es gibt viele gute Gründe, diese WM zu boykottieren. Macht mit! Nachlesen könnt ihr einiges davon unter:

https://www.boycott-qatar.de/aufruf/

Fernsehtipp: „Alles finster“

Der Übergang vom „endless summer“ in das finstere, kalte und verregnete Tal der Vorboten des Winters verlief wahrlich abrupt. Nichts mit goldener Herbst. In Nürnberg duftet es, wenn man mit dem Rad durch manche Straßen fährt, passenderweise wieder nach Lebkuchen. Die Abende des vergangenen, verregneten Wochenende haben wir nur mithilfe dieser sechsteiligen Miniserie gut überstanden, die ich Euch für kommende, finstere und trostlose Abende empfehlen möchte.

„Alles finster“ beginnt recht zäh auf einem Fußballfeld irgendwo in Österreich, wo die Mannschaften zweier rivalisierender Dörfer gegeneinander im Pokalspiel antreten. Dann geht auf einmal das Licht aus und die Geschichte um ein europaweites Blackout Fahrt nimmt schnell Fahrt auf. Auf humorvolle Weise erleben wir, wie schnell unser gewohntes Leben still steht, wenn wir keinen Strom mehr haben. Da wäre beispielsweise die Klospülung, die ohne nicht mehr geht oder das vollautomatisierte Haus, das sich nicht mehr öffnen lässt. Lieferketten, die zusammenbrechen, geplünderte Supermärkte, leere Benzintanks, kein Kontakt zur Außenwelt. Jetzt könnte man meinen, um Himmels Willen, in diesen Zeiten, wo wir ohnehin mit Energieknappheit und explodierenden Preisen leben müssen und Horrorszenarien mit uns auf Tuchfühlung gehen, möchte man sich sowas eigentlich nicht ansehen. Aber dafür gibt es ja die heilsame Kraft des Humors. Jede Folge endet mit einem derart gut platzierten Cliffhanger, dass man sofort weiter schauen möchte. Das Schicksal der durchaus schrulligen, aber am Ende doch irgendwie liebenswerten Dorfbewohner*innen lässt einen eben nicht kalt. Die charismatische Maria Fussenegger, die die unter einer Angststörung leidende Fußballerin Laura spielt, könnte sofort die nächste Sissi spielen, so sehr geht einem das Herz auf, wenn sie strahlt. Tja, ein bisschen Balsam für die geschundene Herbstseele eben. Nebenwirkungen sind übrigens nicht ausgeschlossen, manch eine(r) von Euch wird vielleicht seine Vorratskammer noch vor dem Finale aufstocken.

Viel Spaß beim Gucken!

https://www.ardmediathek.de/video/alles-finster/folge-1-alles-finster-s01-e01/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzEzNmFjNDBmLWJjYTItNGFjYi1iNWU4LWI5OTk4NWQ5NGY4Ng

Nachtrag zu: Sind (Hobby)gärtner*innen die glücklicheren Menschen?

Durch einen Zufall stieß ich vor einiger Zeit auf das Buch „Liebe in Zeiten des Hasses“ von Florian Illies. Dort hat der Autor alles zusammengetragen, was an Amouren in Kreisen berühmter Maler*innen, Schriftsteller*innen, Schauspieler*innen und sonstiger Größen in der Zeit zwischen 1929 und 1939 herauszufinden war. Tucholsky, Weill, Brecht, Dietrich, Dali, Picasso, de Lempicka, die Manns, um nur einige nennen. Beim Lesen dieser ungezählten und ständig wechselnden Liebesreigen wird einem schnell schwindlig, es wurde fast so oft geheiratet, wie man in den Urlaub fuhr, mindestens ein(e) Geliebte(r) gehörte zum guten Ton, ob Männlein oder Weiblein spielte eigentlich keine Rolle, man tauschte sich nicht nur intellektuell aus. Kein Wunder, schwebte doch kurz nach dem ersten Weltkrieg bereits der Schrecken des nächsten Unheils über den Künstler*innen und so musste das Leben so intensiv gelebt werden, wie es nur möglich war, wenngleich oft im Drogenrausch, weil der Schmerz und die Traumata sonst kaum auszuhalten waren. Dieser Abriss nur deshalb, weil ich in diesem Buch auch folgende Schilderung aus dem Leben Hermann Hesses fand:

Und was macht Hermann Hesse in diesen stürmischen, heißen Monaten des Sommers 1932? Er zieht seine Leinenhose an, sein leichtes Hemd, sieht aus wie einer der schwerelosen Bewohner des Monte Verità einen See weiter, und er jätet Unkraut, stundenlang. Ja, so schreibt er im Juli 1932, „dieses Unkrautjäten füllt meine Tage aus, dabei ist es vollkommen rein von materiellen Antrieben und Spekulationen, denn die ganze Gartenarbeit bringt im Ganzen kaum drei, vier Körbchen Gemüse. Dafür hat die Arbeit etwas Religiöses, man kniet am Boden und vollzieht das Rupfen, wie man einen Kult zelebriert, nur des Kultes wegen, der sich ewig erneuert, denn wenn drei, vier Beete sauber sind, ist das erste schon wieder grün.“

Aus „Liebe in Zeiten des Hasses“ von Florian Illies, S.165)

Tja, die Suche nach dem inneren Frieden, ist nichts Neues. Welch Glück für die, die ihren Weg gefunden haben und liege er zwischen Schnecken, Unkraut und Tausendfüßlern!

Buchtipp: „Liebe in Zeiten des Hasses“- Chronik eines Gefühls 1929-1939 von Florian Illies

S.Fischer Verlag, ISBN 978-3-10-397073-9

Endless summer

Von einem Tag auf den anderen ist er doch vorbei, ganz still und leise. Schon lange hat sich ein Sommer für mich nicht mehr so endlos angefühlt wie dieser. Er war, genau genommen, der Beste seit langem. Die Schönwetterperiode hielt mehrere Monate am Stück an, zum Leidwesen der Landwirtschaft nur von wenigen Schauern unterbrochen, die kaum der Rede wert waren. Und obwohl mir die Klimaentwicklung große Sorgen bereitet und andernorts zu verheerenden Waldbränden führte, verhalf sie mir hier zu ungezählten lauen Sommerabenden, Tagen mit bestem Freibadwetter und Nächten, die meist kühl genug blieben, um gut schlafen zu können. Also beste Bedingungen für ein leichtes Lotterleben oder musikalisch ausgedrückt: „Summertime, and the livin` is easy“, Gershwins berühmter Song aus Porgy and Bess, der mir automatisch auf die Lippen kommt, wenn sich das Leben eben gerade so anfühlt.

Dass dieser Sommer so besonders wurde, lag aber auch daran, dass meine pubertierenden Sprösslinge mehrfach täglich meine Abwesenheit einforderten, am besten 24h/Tag, um besser chillen und zocken zu können und mich damit hochoffiziell in die Freiheit entließen. Meine persönliche Wegrationalisierung, wie ich sie gerne nenne, ist tatsächlich das einzige wirksame Mittel, ihr antriebsloses Amoebentum zu Hause auch nur im Ansatz ertragen zu können. Das schlechte Gewissen, mich nicht um die lieben Kleinen zu kümmern, gehört endlich der Vergangenheit an, gesunder Egoismus und Selbstfürsorge sind meine neue Maxime. Also stürzte ich mich ins pralle Leben, Openairkino, Radtour zum See, Absacker draußen hier, Aperitivo da, Sekt auf dem Balkon, Konzerte und Picknick im Freien, und alles wieder von vorne, herrlich. Mein großes Glück war, dabei wunderbare Gesellschaft zu haben, denn auch anderer Leute Kinder werden älter. Ich halte dies Jahr jedenfalls mit Abstand den Rekord an Freibadbesuchen in unserer Familie!

Ein anderer Umstand, der diesen amüsierträchtigen Sommer ermöglichte, war der Mangel an beruflichen Aufträgen. Alle meine Kund*innen schienen dies Jahr- vermutlich aus pandemiebedingtem Nachholbedarf – besonders ausgiebig in den Urlaub fahren zu wollen, so dass ich mich bereits Wochen vor unserem eigentlichen Sommerurlaub mit wenigen Unterbrechungen in Zwangspause befand. Total tote Hose. Dies trübte meine Stimmung ein wenig, da ich rasch bemerkte, dass ausschweifendes Amüsement nicht umsonst zu haben ist und ich wesentlich öfter den Geldautomaten aufsuchte, als Geldeingänge meinem Geschäftskonto gutgeschrieben wurden. Ich schob die Bedenken schnell zur Seite, denn wer wusste schon, wie viele solcher Sommer ich noch würde erleben dürfen?

Jedenfalls fühlte es sich seltsam irreal an, als wir dann Ende August tatsächlich in den Urlaub fuhren. Es erschien mir sonderbar, mich von der Erholung erholen zu sollen, zumal ich mich eigentlich der Gattung der Arbeitsbienen zugehörig fühle. Wie gut, dass so ein Urlaub dann doch die ein oder andere Überraschung bereithält und nicht nur den Müßiggang. Aus Venedig vertrieb uns rapido eine Mückenplage, die keine Überraschung hätte sein müssen, hätten wir vorher das Internet dazu befragt. Besonders Tigermücken fühlen sich in der Lagunenstadt äußerst wohl, wir uns deshalb eher nicht. Wasser auf den Mühlen des Kindes, das sowieso am liebsten nicht mit uns in den Urlaub gefahren wäre, Stimmung im Keller. Den besten Cappuccino haben wir übrigens in Österreich getrunken und nicht in Italien, aber vielleicht lag auch das an den Mücken und der verhagelten Laune. Wir suchten Zuflucht in den slowenischen Bergen und bekamen es mit einem übereifrigen Platzwart zu tun, der schon morgens um halb neun Fußmatten mit lautem Getöse abkärcherte und dabei laut slowenische Volksmusik hörte. Die klingt übrigens nicht anders als deutsche, die Völkerverständigung auf diesem Gebiet scheint also zu funktionieren. Schade, dass wir sie nicht mögen. Dass die wunderschöne Soca nur etwa 13 Grad hat, war ebenfalls eine Überraschung, von der wir uns aber nicht davon abhalten ließen, „Schwimmen“ zu gehen, falls mal dreisekündiges Eintauchen ins Wasser so nennen darf. Das Meerwasser an der kroatischen Adriaküste ließ uns dann wieder auftauen und der Urlaub fand sein Happy End auf einem kleinen, bescheidenen Segelboot, das uns durch die Gegend schipperte. Sonne satt bis zum Schluß.

Jetzt ist er vorbei, der vermeintlich endlose Sommer. Ich trinke meinen Morgenkaffee mitunter wieder im Dunkeln, die Tage sind bereits deutlich kürzer und es regnet gerade – und das ist gut so.

Und ich habe Sonne satt und viele schöne Erlebnisse getankt, um davon in der dunklen Jahreszeit zu zehren, die jedes Jahr länger zu werden scheint und eine immer größere Herausforderung für uns nicht mehr ganz junge Menschen darstellt. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar, diesem endlosen Sommer.

Fair fashion für den kleineren Geldbeutel

Bewohner*innen der Metropolregion, die bislang argumentierten, sie würden ökologisch und fair hergestellte Mode ja kaufen, wenn sie nur nicht so teuer wäre, kann jetzt geholfen werden: mit dem glore Outlet in Nürnberg. Ein sehr cooler Laden am Eck der Regensburger Straße stadtnah, direkt hinter dem Marientunnel. Da dort gerade alles aufgebuddelt und neu gemacht wird, am besten mit dem Fahrrad vorfahren. Der Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Eine feine Auswahl an Damen- und Herrenklamotten, hübsch arrangiert, gut halb so teuer wie regulär, aber natürlich noch immer nicht auf H&M Niveau. Aber das kann fair fashion auch nicht sein.

Viel Spaß beim Stöbern!

Glore FAIR FASHION OUTLET – Köhnstr.38 – 90478 Nürnberg

Öffnungszeiten: Mi-Fr: 13.00 – 18.00h Sa: 11.00h – 17.00h

https://www.glore.de/Concept-Stores/Outlet-Nuernberg/

Vom Wunder des Lebens oder sind (Hobby)gärtner*innen die glücklicheren Menschen?

Gestern Nachmittag saß ich auf dem Balkon, um das Kilo Kirschen zu entsteinen, welches unser guter Landwirt Heribert aus Uffenheim der Solawi(https://meedchenwargestern.com/2022/04/08/1-jahr-solawi-ein-resumee/ als Obstanteil zugedacht hatte. So wie ich früher unsere Kinder Kirschen oder Blaubeeren nur unbekleidet essen ließ, wählte ich einen schwarzen Bikini, um mich vor kaum mehr zu entfernenden Spritzern zu schützen und die Nachbarschaft mit meiner Blöße nicht gänzlich zu erschrecken. Das Fruchtfleisch der Kirschen war im Umfang kaum merklich größer als der darin befindliche Kern, so dass ich Zweifel hatte, ob unsere altertümliche, äußerst schlichte Apparatur ihn würde lösen können. Doch es gelang, wenn auch etwa jede dritte Kirsche aufgrund ihrer schlanken Maße mitsamt dem Kern ins darunter liegende Auffangbecken entschwand. Ich rettete jene aus diesem, pulte nochmals händisch die gelösten, doch noch anhaftenden Kerne meiner bearbeiteten Kirschen ab und entfernte nebenbei den ein oder anderen Wurm, den ich als Vegetarierin nicht mitzuessen gedachte. Während ich mich in diese Aufgaben vertiefte, begann ich darüber zu sinnieren, welch geringe Wertschätzung so ein Glas gekaufter Sauerkirschen erfuhr und wie leicht sich eventuelle Reste entsorgen ließen, wenn man weder den Prozess des Wachstums von der Blüte bis hin zur Reife der Frucht verfolgt noch sich den Mühen der Verarbeitung hingegeben hatte. Und wie sehr man sich im Umkehrschluss – in meinem Fall einem Kuchen -verbunden fühlen konnte, wenn man dem Wunder seiner Entstehung beiwohnen durfte.

Anfang Mai entdeckte ich ein Päckchen Samen für eine Blumenmischung auf dem Fenstersims unseres Balkons, seit Jahren den Gezeiten ausgeliefert, doch immerhin vor Regen geschützt, und beschloss, den Versuch zu wagen, sie in einem Blumenkasten in die Erde zu stecken und anzugießen, anstatt wie sonst ein paar Balkonblumen kaufen zu gehen. Was für ein Wunder, als bald darauf wider Erwarten die ersten grünen Triebe aus der Erde lugten. Nun, sechs Wochen später, ist das Grün üppig gediehen, es zeigt das Bedürfnis, sich an etwas emporzuranken, worauf ich partout nicht vorbereitet war. Es ist ein wenig wie bei dem kleinen süßen Mischlingswelpen, der sich eines Tages während seines Heranwachsens als vollkommene Mogelpackung entpuppt – zu lange Beine, zu kurzer Rumpf, zu platte Schnauze und auch noch andersfarbig als seine Erzeuger. Naja, Blüten sind noch nicht im Geringsten zu erahnen, aber interessant sieht mein kleiner Dschungel aus. Sie werden sich wohl erst zeigen, wenn der Sommer fast vorbei ist. Das Wunder des Lebens verlangt eben Geduld und Offenheit, sich auf das einzulassen, was da kommt, denn so ganz planbar ist es nicht. Unsere Kirschen sind schließlich auch nur so klein, weil es in der entscheidenden Phase zu wenig geregnet hat, sagt Heribert. Und der muss es wissen.

Was für ein reicher Mensch muss demnach ein Gärtner sein, dem das Wunder des Lebens wieder und wieder begegnet? Er lebt im Rhythmus mit der Natur, sät, wenn gesät werden muss, setzt um, wenn umgesetzt werden muss und erntet, wenn die Zeit und natürlich das Obst reif sind. Er flucht eventuell, wenn alles verarbeitet werden muss, oder die Schnecken einen Großteil der Ernte vernichtet haben und doch widerfährt ihm ein Glück, von dem er vielleicht gar nichts ahnt, so alltäglich ist es geworden. Denn diese Arbeit gibt dem Leben nicht nur Struktur, sondern sogar Sinn! Er wird gebraucht und jeden Tag wartet eine neue Aufgabe. Wie erfüllend. Oder etwa nicht? Es wäre ein Trugschluss, wenn wir nun all begännen, einen Garten zu beackern, um unser Glück zu finden. Die einen bekämen Rücken, die anderen Verzweiflung, weil einfach nichts wüchse. Zu letzteren gehörte wohl ich. Nein, das ist es wohl noch nicht ganz.

Schon während ich versuchte, meine Balkonpflanzen mit ein paar Strichen für Euch festzuhalten, entwuchsen sie mir Stück für Stück. Die Triebe schoben sich fast unmerklich weiter, die Blätter drehten sich und die Sonne beleuchtete auf einmal alles in einem ganz neuen Winkel. Vielleicht liegt darin der Weg zum Glück, ab und zu mal nichts anderes zu tun, als dazusitzen, sich auf etwas einzulassen und wahrzunehmen.

Kirschen im Supermarkt finde ich seit gestern auf jeden Fall etwas fake – die haben überhaupt keine Würmer.

Wo sind all die Menschen hin?

Als ich jüngst im nahegelegenen Hallenbad ein paar Bahnen ziehen wollte, fand ich dieses an einem Samstag geschlossen vor. Wechselbetrieb mit dem Freibad wegen Personalmangels, wie ich erfuhr. Aha. Ich meine, ich lebe immerhin in der zweitgrößten bayerischen Stadt, da finde ich das schon ungewöhnlich. Dass manche Freibäder aus demselben Grund bereits im Vorjahr später öffneten, kannte ich schon. Gleiches gilt für Cafés und Restaurants, die zwar ihren Umsatz nach den schweren Zeiten gerne wieder steigern würden, aber nicht wissen, mit welchem Personal.

Meine Friseurin berichtete, sie könne ihre Altersteilzeit nicht antreten, weil der Salon weder ausgebildete Kolleg*innen, noch Auszubildende fände. Am Flughafen bleiben die Koffer am Boden, weil das Personal fehlt, auf den Ämtern bekommt man keine Termine und dass das Pflegepersonal, aber auch Lehrkräfte fehlen, um neue Strategien für die nächste Coronawelle vorzubereiten, ist ja sowieso schon lange bekannt. Wo man auch hinschaut, regiert der Mangel. Das gibt mir wirklich zu denken. Wo sind all die Menschen?

Es ist zu vermuten, dass ein gar nicht so kleiner Anteil der Arbeitswelt durch die Pandemie abhandengekommen ist. Psychische Probleme, der Verlust geregelter Strukturen und Aufgaben, Kurzarbeit oder sogar Arbeitslosigkeit haben bei manchen Menschen dazu geführt, dass ihnen die Rückkehr zu einem normalen Arbeitsalltag bis heute nicht möglich ist.

Aber auch die Erzählung von der Work-Life-Balance fordert ihren Tribut. Junge Leute stellen immer mehr Ansprüche an die Arbeitswelt. Anstrengende Arbeit bei schlechter Bezahlung will heute niemand mehr, zumal Instagram, TikTok und Co. ja permanent unter Beweis stellen, dass wirklich jeder die reelle Chance hat, das schnelle Geld zu machen und etwas „fame“ abzubekommen, wenn er oder sie nur den richtigen Nerv trifft. Es ist ein bisschen wie Lotto spielen, aber irgendwie viel realer, oder?

Vielleicht spüren wir aber auch schon langsam die Auswirkungen der Überalterung unserer Gesellschaft. Immer mehr Rentner bei immer weniger Arbeitnehmer*innen. Höchste Zeit also, neue Perspektiven für Arbeitssuchende aus dem Ausland zu schaffen.

Das geht mir so durch den Kopf, wenn ich überlege, ob ich bei 16 Grad Außentemperatur an einem Samstag morgen tatsächlich ins unbeheizte Freibad wechseln soll. Ich glaube, Deutschland steuert auf ein ernsthaftes Problem zu oder steckt schon mittendrin. Sollte dieses Thema nicht bald ganz oben auf der Agenda unserer Regierung erscheinen, werden wir uns wohl auch in dieser Hinsicht an ein Leben mit deutlichen Einschränkungen gewöhnen müssen.

Buchtipp: „Dunkelblum“ von Eva Menasse

Anfang des Jahres ergatterte ich in unermesslicher Vorfreude Karten für eine Lesung der Schriftstellerin Eva Menasse aus ihrem Roman „Dunkelblum“. Der Name der Autorin sagte mir etwas, ich war mir sogar ziemlich sicher, bereits etwas von ihr gelesen zu haben, was mir allerdings nicht wirklich gefallen hatte, wie ich mich zu erinnern glaubte. Nach coronabedingter Kulturabstinenz erschien mir diese Tatsache keineswegs bedeutsam und ich freute mich auf einen unterhaltsamen Abend mit einer guten Freundin. Erst an dem Abend der Veranstaltung im April erfuhr ich, dass diese Lesung aus pandemischen Gründen bereits zweimal verschoben worden war, so dass der Großteil des Publikums den im Sommer des Vorjahres erschienenen Roman bereits gelesen hatte. Ich ja zum Glück nicht und so harrte ich in freudiger Erwartung und in dem in die Jahre gekommenem Ambiente bei Aperol Sprizz und tomatisierter Gemüsesuppe (kein Witz!) der Lesung.

Und dann betrat Eva Menasse ihre Bühne und bezauberte uns mit ihrem Charme, ihrem Wissen und den Auszügen aus ihrem beeindruckenden Roman. Die Schriftstellerin hat neben Germanistik auch Geschichte studiert und wer meinen Buchgeschmack schon ein wenig kennt, weiß, dass ich Romane liebe, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Ausgangspunkt für die Entstehung von „Dunkelblum“ war eine lange Recherche zu so genannten Endphaseverbrechen in österreichischen Dörfern im Burgenland kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs. Dort wurden zahlreiche jüdische Zwangsarbeiter von Einheimischen niedergemetzelt, kurz bevor die Sowjetarmee über Ungarn einmarschierte, vermutlich um Zeugen von Gräueltaten zu beseitigen. In vielen dieser Dörfer wurde diese bittere Vergangenheit aufgearbeitet, aber es gab wohl eines, in dem die Leichen bis heute nicht gefunden wurden. Diese Entdeckung führte dazu, dass Eva Menasse begann, sich damit zu beschäftigen, wie eine Dorfgemeinschaft mit solch einem Wissen über Täter, Mitläufer und Unbeteiligte hatte weiterleben können, ohne ihr Schweigen zu brechen. Auf Grundlage ihrer Recherche erschuf die gebürtige Burgenländerin in ihrem Roman ein eigenes, fiktives Dorf, nämlich Dunkelblum, mit all seinen unterschiedlichen Charakteren, vom Hitlerjungen, über den SS-Mann über den jüdischen Lebensmittelhändler, mit Nutznießern des Nazi-Regimes, Vertriebenen und Zurückgekehrten und erdachte akribisch genau, wie sich das hätte zutragen können. Allerdings lässt sie die Dorfgemeinschaft nicht zu Kriegszeiten agieren, sondern im Jahr 1989, als die ersten DDR-Flüchtlinge über eben jene Grenze von Ungarn nach Österreich fliehen, wo damals die Zwangsarbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen einen Schutzwall gegen die vorrückende Sowjetarmee hatten ausheben müssen. Als kurz darauf menschliche Knochen gefunden werden und eine junge Frau verschwindet, die sich sehr für die Vergangenheit Dunkelblums interessiert hat, gerät alles in Bewegung.

Wer jetzt den Eindruck bekommen hat, es handele sich um einen düsteren Roman, der irrt. Eva Menasse hat einen angenehm süffisanten Ton gefunden, um die Bewohner und ihre Lebensstrategien zu skizzieren. Sie wirft immer wieder mal einen typischen burgenländischen Ausdruck wie beispielsweise „altvaterisch“, „Das geht sich nicht aus“ oder „Geh heast“ ein, so dass die Sprache auch dann lebendig wird, wenn man ihre Stimme nicht im Ohr hat – auch, wenn das zugegebenermaßen besonders viel Spaß macht. Überhaupt ihre Sprache! Man könnte sie fast als verspielt bezeichnen, sie findet immer wieder wunderbare Metaphern und kluge Beschreibungen für das kleine Grenzdorf und seine Bewohner. Schon die ersten Zeilen ihres Romans geben einen kleinen Eindruck:

„In Dunkelblum haben die Mauern Ohren, die Blüten in den Gärten haben Augen, sie drehen ihre Köpfchen hierhin und dorthin, damit ihnen nichts entgeht, und das Gras registriert jeden Schritt.“

Ich bin noch nicht ganz fertig mit Lesen, weiß aber jetzt schon, dass es eines dieser Bücher sein wird, bei dem ich bedauern werde, wenn es vorbei ist. Ein toller Roman für alle, die sich für Sprache begeistern, für Geschichte und den Menschen in all seinen Facetten und Kuriositäten. Danke, liebe Frau Menasse.

„Dunkelblum“ von Eva Menasse

Verlag: Kiepenheuer & Witsch ISBN: 978-3-462-04790-5

Und wer mal wieder zu einer guten Lesung in etwas altmodischem Ambiente gehen möchte, kann es hier versuchen: https://literaturhaus-nuernberg.de/programm

Kleine Freuden

In der Wochenzeitung „Die Zeit“ gibt es eine Rubrik, die „Was mein Leben reicher macht“ heißt. Leser*innen teilen Episoden und Momente ihres Lebens, die ihnen besonders viel Freude bereitet haben oder noch immer bereiten. Wie ich eben entdeckt habe, gibt es diese sogar in einem Geschenkband zusammengefasst:

https://shop.zeit.de/geschenkefinder/fuer-jeden-anlass/4044/was-mein-leben-reicher-macht-band-2

Ich lese diese Beiträge sehr gerne, da sie mir oftmals ein wohliges Schmunzeln entlocken und vielleicht auch dazu geführt haben, selbst mehr darüber nachzudenken, was ich denn zu erzählen hätte. Natürlich kann man das auch ganz im Stillen, zum Beispiel indem man ein Dankbarkeitstagebuch führt, um sich Positives bewusst zu machen und ganz still und heimlich zu bewahren. Aber ich bin ja eher etwas mitteilsam geraten, so dass ich gerne ein paar kleine Freuden mit euch teilen würde.

Die Schwimmbrille:

Seit ungefähr fünfunddreißig Jahren bin ich kurzsichtig. Während dieser Zeit war ich einige Jahre im Schwimmverein aktiv und zog auch später im Freibad regelmäßig meine Bahnen – zugegebenermaßen mit der ein oder anderen Kollision aufgrund meiner Fehlsichtigkeit. Vor wenigen Wochen setzte ich die Idee in die Tat um, mir eine Schwimmbrille mit Dioptrien zu kaufen. Der erste Besuch im Schwimmbad war einfach grandios. Ein Hochgefühl! Wie einfach es doch manchmal sein kann, etwas zu verändern und wie lange es dazu braucht. Seither erfreue ich mich jedes Mal, wenn ich ins Wasser tauche, daran, dass ich sowohl auf den Grund sehen, als auch allen anderen Schwimmer*innen galant, mühelos und vor allem rechtzeitig ausweichen kann.

Die Allee:

Es war ein ganz besonderer Tag in diesem Frühjahr, als eine Gartenbaufirma ohne Vorankündigung etwa fünfzehn Bäume in unserer Nachbarschaft entlang der Straße pflanzte. In wenigen Jahren wird eine prächtige Allee entstanden sein, die für moderatere Temperaturen im Sommer sorgen und den Spaziergängern Schatten spenden wird. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie wir zu diesem Glück gekommen sind, wer das geplant hat und wie lange die Aktion vorbereitet wurde. Nur ein paar Hinweisschilder deuten auf eine Beteiligung der Umweltbank hin, vielen Dank dafür. Wann immer ich an den jungen Bäumen entlang laufe, bin ich einfach nur glücklich.

Sausewind:

Jedesmal, wenn ich während des Berufsverkehrs oder am Einkaufssamstag mit wehenden Haaren an den stehenden Autokolonnen am Innenstadtring vorbeidüse, genieße ich das Gefühl grenzenloser Freiheit. Zugegebenermaßen erfreue ich mich auch ein wenig daran, dass die Menschen in ihren Fahrzeugen in diesem Moment nicht dieselbe Freude empfinden, weil sie sich über ihre Vordermänner oder -frauen ärgern müssen und nur im Schneckentempo vorankommen, während ich schon drei Ampeln weiter bin. Das ist nicht sehr nett von mir, das weiß ich. Deshalb empfinde ich auch ein wenig Mitleid, dass sie nicht Fahrrad und U-Bahn fahren können und auf ihre Autos angewiesen sind. Ich bin jedenfalls sehr dankbar, dass ich gesund bin und mir diese Momente vergönnt sind. Und ich würde sie sehr, sehr gerne mit ganz vielen Autofahrer*innen teilen. Ehrlich.

Habt ihr auch „kleine Freuden“, die ihr gerne mit mir teilen möchtet? Dann schreibt mir gerne und ich veröffentliche sie.

Warum Querdenker manchmal auch Putin verstehen – Folgen der deutschen Corona Politik

Ich habe eine sehr enge Freundin, die bald zu Beginn der Coronapandemie begann, mit den Maßnahmen der Regierung zu hadern. Durch eine schwere Erkrankung zu einer Pause vom Alltag gezwungen, fand sie viel Zeit, sich dem Thema Pandemie zu widmen, es ließ sie kaum noch los, wie ich bei unseren Telefonaten bald merkte. Ich konnte nur zu gut verstehen, dass sie es furchtbar fand, dass ihre noch kleinen Kinder das Schulleben mit Masken und Abstandsregeln kennenlernen mussten, anstatt unbeschwert diesen neuen Lebensabschnitt erproben zu können. Auch, dass sie bei einem neu entwickelten, genetisch veränderten Impfstoff nicht in der ersten Reihe stehen würde, war keine Überraschung. Wer in einem Elternhaus aufwächst, das eher alternativen Heilmethoden als der Schulmedizin vertraut, der ändert seine Weltanschauung nicht von heute auf morgen. Was uns bald unterschied, war, dass ich bereit war, Fehler der politischen Entscheidungsträger mit der vollkommen neuen, schwer einschätzbaren Situation zu entschuldigen, während bei ihr das Misstrauen wuchs. Und so erging es nicht nur ihr, wie ich vor kurzem in einer Umfrage erfuhr.

Demnach hält ein gutes Drittel seiner Bevölkerung Deutschland für eine Scheindemokratie. Ein erschreckendes Ergebnis, an dem mit Sicherheit die Corona-Politik der Bundesregierung und leider auch die sogenannten „Mainstreammedien“ nicht ganz unschuldig sind. Es war ein schwerwiegender Fehler, von Beginn an Menschen mit anderen Ansichten oder auch nur Zweifeln an den Maßnahmen der Regierung in eine Ecke zu stellen und aus der öffentlich-rechtlichen Meinung zu verbannen. Anstatt sich ausführlich zu erklären, das Bemühen zu bekräftigen, bestmöglich zu handeln, ohne Irrtümer ausschließen zu können, weil unsere moderne Welt erstmalig mit solch einer Situation konfrontiert war, tat die Regierung so, als sei ihr Weg der einzig richtige und duldete wenig Widerspruch. Gebetsmühlenartig wurden die Aufforderungen zur Impfung wiederholt, ohne auch nur einen der Zweifelnden zu erreichen. Und die Medienlandschaft folgte ziemlich einstimmig. Dabei hätte die Regierung versuchen müssen, mit Argumenten zu überzeugen, anstatt andere Meinungen als unerwünscht abzustempeln. Denn die Entwicklung, die so ins Rollen gebracht wurde, lässt sich jetzt nicht mehr stoppen.

Alle, die mit ihren Ängsten und Ansichten von den klassischen Medien übergangen wurden, haben andere Kanäle gesucht und gefunden. Und bei vielen ist die Überzeugung gewachsen, sie würden von den „Mainstreammedien“ sowieso nur belogen oder Informationen würden sogar im Sinne der Regierung zurückgehalten. Was wiederum bedeutet, dass inzwischen nicht nur Informationen zu Corona in Frage gestellt werden, sondern auch zu ganz anderen Themen, wie das Phänomen der neuen Putinversteher*innen zeigt. Viele Menschen haben so ein Misstrauen entwickelt, dass sie generell alle Informationen anzweifeln und uns eben solch einer Propaganda ausgesetzt sehen, wie wir sie Putin vorwerfen. Eine tragische Entwicklung, denn die neuen Kanäle nutzen ihre Macht. Verrückt? Bedingt. So wie die meisten von uns dem Einfluss der Algorithmen der Mainstreamfilterblase unterliegen, finden andere in ihrer Blase die immer gleichen Informationen, die sie in ihrer neuen Weltauffassung bestärken. Und hat man diese Brille erstmal auf, lässt sich vieles umdeuten, was zuvor völlig normal erschien.

Nun könnte man es sich leicht machen und die Ansichten dieser Menschen als Verschwörungstheorien abtun. Aber so einfach ist es nicht. Denn es stellt sich eben auch mal heraus, dass unpopuläre wissenschaftliche Erkenntnisse der „Querdenkerszene“ doch nicht so falsch waren, wie anfangs dargestellt, wenn sie Monate später in den klassischen Medien erscheinen, wodurch sich wiederum Nutzer*innen alternativer Medien in ihrem Misstrauen betätigt fühlen. Es ist eben nicht alles falsch an den Bedenken gegenüber den Maßnahmen der Regierung gewesen, wie sie von verschiedenen Kinderärzt*innen, Psycholog*innen und Wissenschaftler*innen vorgebracht wurden. Von Menschen, die keineswegs Corona leugneten, sondern Angst vor unbekannten Impfnebenwirkungen hatten, die dachten, dass die Maßnahmen schlimmere Spätfolgen für die Gesellschaft haben könnten als der Tod schwer erkrankender Menschen oder von Frauen, die schlichtweg Sorge um ihre ungeborenen Kinder hatten. Diese vollkommen unterschiedlichen Menschen wurden schnell unter dem Begriff Querdenker zusammengefasst, anstatt sich mit ihren individuellen Beweggründen gegen eine Impfung auseinanderzusetzen und sie vor allem ernst zu nehmen.

Als halbwegs sorgloses Mitglied des Mittelstandes fällt es im Allgemeinen nicht schwer, mit den politischen Entscheidungen unserer Regierung mitzugehen. Es gefällt uns nicht alles, man motzt mal hier und da, aber solange man nur bedingt an die Grenzen seiner persönlichen Freiheit und Möglichkeiten stößt, lasst es sich sehr gut in diesem Deutschland leben. Wer dagegen immer wieder an Grenzen stößt, wessen Lebenssituation sich nicht verbessert, obwohl er oder sie sich abstrampelt, egal wer gerade an der Regierung ist oder wer sich- wie in der Pandemie- zu Maßnahmen gezwungen sieht, die ihm zutiefst widerstreben, beginnt allerdings, seinen Blick zu verändern. Er oder sie ist nicht mehr bereit, Fehlentscheidungen zu verzeihen, sondern merkt sich nicht eingehaltene Versprechungen, persönliche Bereicherung von Politiker*innen, Lügen und Täuschung. Und hält Deutschland vielleicht am Ende sogar für eine Scheindemokratie, als Ausdruck der eigenen Ohnmacht, nichts an der gegenwärtigen Situation verändern zu können.

Es ist eine Mammutaufgabe für unsere Demokratie, dies wieder zu verändern. Sich auf gemeinsame Werte und Erfahrungen zu besinnen und wieder Vertrauen aufzubauen. Wieder einen gemeinsamen Weg zu finden, weg vom Schwarz und Weiß, Gut und Böse, richtig und falsch. Die Perspektive des anderen einzunehmen, um seine oder ihre Wahrheit zu verstehen und darüber reden zu können. Die Algorithmen der Sozialen Medien müssten endlich so verändert werden, dass allen Menschen alle Informationen zur Verfügung stehen und nicht nur die, die sie in ihrer Meinung bestätigen. Dafür bedürfte es aber ganz neuer Geschäftsmodelle. Solange Zeit Geld bedeutet und User an den Geräten gehalten werden müssen, werden die Firmen uns immer vorsetzen, was wir lesen wollen.

Vor einiger Zeit haben meine Freundin und ich wieder telefoniert. Es war anstrengend, wir haben diskutiert und gerungen, bei manchen Themen Konsens gefunden, bei anderen ging kein Weg zusammen. Aber nur so wird es gehen. Hinterfragen, überzeugen, auseinandersetzen. Vielleicht muss unsere Gesellschaft wieder lernen, zu diskutieren und es auch aushalten, wenn man nicht zusammenkommt. Hauptsache im Gespräch bleiben- das haben wir beiden uns ganz fest vorgenommen.

1 Jahr Solawi – ein Resümee

Ich habe mich, glaube ich, noch nie so sehr über frisches Grün gefreut, wie an diesem Mittwoch, als nach einer langen Herbst-Winter-Saison voller Kohlsorten, unsere Lieferung der solidarischen Landwirtschaft einen Salatkopf, Postelein und Asia-Salat enthielt. Himmlisch. Ihr wisst nicht, was Asia-Salat ist? Und Postelein? Über den Asia-Salat(siehe Bild) habe ich selbst erstmal gerätselt, Postelein oder auch Portulak genannt, kenne ich seit einigen Wochen und weiß, dass er mit einer deftigen Jogurt-Knoblauch-Sauce angerichtet fantastisch schmeckt.

Die Freude darüber war deshalb so groß, weil ich in diesem Winter so viel Kohl gegessen habe, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Grünkohl, Schwarzkohl, Rosenkohl, Wirsing, Kohlrüben, Rotkohl und Weißkraut. Was es halt so bei uns gibt im Winter, frisch oder eingelagert wie Möhren, Kartoffeln oder Zwiebeln. Dass ich in einigen Nächten sogar wegen Bauchschmerzen aufgewacht bin, lag aber vor allem auch daran, dass je nach Sorte zwei bis drei meiner Mitesser wegfielen und da ich natürlich nichts von dem wertvollen Gut wegwerfen wollte, alles allein gegessen habe. An diese Mengen war mein Organismus definitiv nicht gewöhnt. Und dennoch bin ich nach wie vor begeistert davon, erstmals in meinem Leben wirklich mitzubekommen, was gerade bei uns auf den Feldern wächst – und was eben nicht. Und das ist eine ganze Menge. Diesen Winter gab es kein einziges Mal Sommergemüse wie Zucchini oder Aubergine bei uns und auch beim Zukauf von Salat beließen wir bei wenigen Ausnahmen. Bei Tomaten bekommen wir das leider nicht hin, sie sind ein wichtiges Nahrungsmittel in unserem Haushalt. Dafür lernten wir im Herbst Bittersalate kennen und schätzen. Sie vertragen leichten Frost und wachsen deshalb bis in den Winter hinein bei uns. Dass sie irre gesund sind, brauche ich nicht zu erwähnen, so wie viele Lebensmittel, die genau deshalb zu einer bestimmten Zeit bei uns wachsen, um uns mit den wichtigsten Nährstoffen zu versorgen. Und ich kenne jetzt mindestens sechs verschiedene Arten, Grünkohl zu verarbeiten, nämlich als Curry (geht immer und übertönt auch ungeliebte Geschmäcker), Lasagne, Moussaka, Smoothie, Salat und Chips.

Wenn man ein und dasselbe Lebensmittel immer wieder verarbeiten muss, wird man kreativ und probiert Neues aus. Und ich kann tatsächlich bestätigen, dass man sich an bestimmte Geschmäcker gewöhnt, je öfter man sie isst. Mit der Kohlrübe fremdele ich noch ein wenig (mein Hase mochte sie früher), dafür habe ich Wirsing inzwischen richtig lieb gewonnen. Zusammen mit Möhren und Champignons und satt mit Käse überbacken, ist er alles andere als langweilig. Jetzt esse ich mich die nächsten Monate mit ganz viel Rohkost satt und bin mir sicher, dass ich mich in einem halben Jahr genauso auf meine Kohlköpfe freuen werde, wie jetzt auf den ersten Salat. Es macht Spaß, Teil von etwas Größerem zu sein, den Kreislauf des Jahres mitzuerleben und ganz kleines bisschen mitzugestalten. Und es wäre toll, wenn noch viel mehr Menschen mitmachen würden. Unsere Solawi entwickelt sich immer weiter und ich hoffe, dass wir es eines Tages schaffen werden, dass auch Menschen mit sehr kleinem Geldbeutel dabei sein können, weil die Gemeinschaft einen Teil ihrer Beiträge übernimmt. Noch ist das leider Zukunftsmusik, aber ich hoffe, das wird eines Tages selbstverständlich sein. Es bleibt spannend und ich freue mich aufs nächste Jahr.

Wer mehr wissen möchte, kann sich hier informieren:

http://www.stadt-land-beides.de/ (Nürnberg/Fürth)

Eine Solawi in deiner Nähe:

https://www.solidarische-landwirtschaft.org/solawis-finden/auflistung/solawis